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Das Tarot der Engel: Dritter Band der Tarot-Trilogie (German Edition)

Das Tarot der Engel: Dritter Band der Tarot-Trilogie (German Edition)

Titel: Das Tarot der Engel: Dritter Band der Tarot-Trilogie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marisa Brand
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Dupois hatte recht. Gefühlsausbrüche waren fehl am Platz. Der Hof erwachte um diese Stunde zum Leben. Sie musste überlegen, was sie tun sollte. Jetzt war nicht die Zeit für vorschnelle Geständnisse, noch weniger durfte sie in diesem Aufzug die Gemächer des Marquis im umwimmelten Königstrakt aufsuchen. Verfluchtes Kleid, zum ersten Mal im Leben trug sie ein kostbares Gewand und konnte keine Zuflucht in der Unscheinbarkeit suchen.
    Müde löste sie sich von der Wand, um sich über die verwinkelten Seitenflure in Lady Margarets Kammern zurückzustehlen und den Augenblick abzupassen, wenn die kichernde und tuschelnde Gänseschar der Jungfern und Aufwärterinnen zum Frühstück in die große Halle aufbrach.
    Sie musste sich umziehen. Für einen elend langen Tag, umgeben von gespielter Fröhlichkeit, Geschwätz und dem Rattenschwanz von Höflingen. Auf Lord Dudleys Landgütern hatte ihr zum Nachdenken die Flucht in die Gärten offen gestanden, sie hatte einsame Streifzüge in Jagdwaldungen, zu den Teichen und den Obstwiesen gemacht. Sie hasste den Palast, sie hasste, hasste, hasste ihn!
    Erschöpft lenkte Cass ihre Schritte auf eine Hintertreppe zu, als ein Geräusch sie aufhorchen ließ. Es klang wie das Schaben von Krallen, das Nagen scharfer Zähne oder – Cass’ Herz setzte aus – das Kratzen einer Klinge, die Mauerwerk streifte. Jemand kam die Treppe hoch, und es war kein Lakai.
    Wie ein gehetztes Tier schaute sich Cass nach einem Versteck um. Zur Hölle! In diesem Gang gab es keine Fensternischen wie in den Höflingskorridoren – aber einen gemauerten Bogen in der gegenüberliegenden Wand.
    Lautlos glitt Cass zu dem Mauersturz. Es war ein Abgang zu einem der Lichthöfe, die die Gebäudetrakte verbanden. Ohne weiter zu überlegen, hastete sie die Stufenspirale hinab, fand einen Hof und eine Gitterpforte. Sie war unverschlossen. Cass zwängte sich hindurch und überquerte einen gekiesten Weg. Er mündete in einen Ziergarten, fest ummauert und menschenleer. Was für eine Wohltat!
    In geometrisch angeordneten Beeten waren Buchsbaum und Berberitze auf Wadenhöhe gestutzt und so ineinandergepflanzt, dass sie Flecht- und Knotenmuster bildeten. Ein strenger Garten, ein besänftigender Garten. Ein Garten nach französischer Art und nach dem Geschmack des Marquis. Cass ließ sich auf einer steinernen Bank nieder. Genauso hatte Antoine ihren künftigen Garten gemalt. Ihr Atem beruhigte sich, während sie die Muster studierte und dem Rieseln einer künstlichen Quelle lauschte, die sich, von Greenwichs Wasserturm gespeist, in ein Steinbecken ergoss.
    Der richtige Ort, um Gedanken zu ordnen. Vorsichtig betastete sie ihren Unterleib. Sie war also schwanger. Und verlobt! Früh und mühelos hatte sie empfangen, wie ihre Mutter. Aber anders als diese von einem Mann, den sie liebte.
    Heute Nacht würde sie heiraten. Gewiss war das die falsche Reihenfolge, aber sie war keine beliebige Mätresse. Oh ja, sie hatte Dupois’ unvollendeten Satz durchaus verstanden. Wie konnte dieser dumme Schneider es wagen, so etwas auch nur anzudeuten! Wie hässlich sprach er von Liebe.
    »Ein schöner Morgen, aber etwas zu kühl für Eure unvollständige Bekleidung.«
    Die Stimme riss Cass herum. Hinter ihr stand ein junger Mann in der schwarz-gelben Tracht der Spanier. Er trug ein gefiedertes Jagdbarett, Reitstiefel und Gerte. An seinem Ohr baumelte ein glitzernder Stein. Ein eitler Geck und unverschämt dazu.
    Sie sah, dass er sie einer scharfen Musterung unterzog und dass diese nicht günstig ausfiel. Seine Miene verdüsterte sich, seine Augen waren schwarz vor Missbilligung.
    Und ich habe sie für eine bedauernswerte Krähe gehalten, dachte Samuel van Berck. Für reizlos und liebeskrank. Das war noch zu freundlich gewesen. Und dumm. Fast hätte er die fliehende Frau im grünen Kleid nicht erkannt. Diese Cass verstand die Kunst der Täuschung weit besser als angenommen. Dudley war ein guter Lehrmeister und de Selve ein überaus großzügiger Hurenbock. Das Mädchen musste eine geschickte Verführerin sein, und sie hatte anscheinend bekommen, was sie wollte.
    Zum Teufel. Warum sollte er ihr noch helfen? War er ein sentimentaler Narr wie Jehan Scheyfve?
    »Ihr habt Euch erfolgreich um ein wenig Tändelei gedrückt«, hatte sein Dienstherr ihn gemahnt. »Vielleicht gefällt Euch wenigstens die Rolle des selbstlosen Retters? Gebt dieser Cass einen Hinweis, dass wir ihre Geheimnisse wollten, nicht ihren Kopf. Sie ist ja noch ein halbes

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