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Das Tarot der Engel: Dritter Band der Tarot-Trilogie (German Edition)

Das Tarot der Engel: Dritter Band der Tarot-Trilogie (German Edition)

Titel: Das Tarot der Engel: Dritter Band der Tarot-Trilogie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marisa Brand
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Themse?«, fragte er.
    Cass öffnete den Mund und schloss ihn wieder. Sie war selbst verblüfft. Ja, sie kannte es, und sie kannte Lord Dudley. Sie wusste, wer er war, sie wusste auch, dass der Fußweg durch das Gassengewimmel der City bis nach Westminster einer Tortur glich, weil sie ihn einmal gegangen war. Müde, erschöpft, auf sehr kurzen Beinen. An der Hand einer Frau. Stolpernd und voller Angst. Wann? Nur wann?
    Painbody starrte interessiert auf sie hinab. Er winkte mit der Hand nach Nat. »Hol ihr Kleid. Mach schon.«
    Der Knochensammler lief zu einem Sack, der vom Mauergewölbe herabbaumelte, ließ ihn auf den Boden und zog ein Bündel grün-weißer Seide heraus. Zärtlich faltete er es auseinander. Nat riss es ihm aus den Händen. Cass drehte den Kopf und erkannte, dass man die verdorbene Seide gereinigt und mit Steinen geglättet haben musste. Ein Stich fuhr ihr ins Herz, als sie das Kleid sah, das sich in einem lauen Windstoß blähte. Es schien, als tanze es zu dem Lautenklang, der von den Barken zu ihnen herüberwehte und sich zu einem hohlen Echo verstärkte, als er von Steinpfeiler zu Steinpfeiler sprang. Die Schiffe von Greenwich passierten die Brücke.
    Cass spitzte die Ohren, in ihrem Kopf setzten sich die Töne zu einer Melodie zusammen. »O come ye beautiful maidens ...« Eine schmelzende Ballade. Ihr Hirn formte mühelos die folgenden Textzeilen. Painbody beobachtete sie genau.
    »Bringt ihr Wasser für ihr Gesicht.« Er wandte sich an Cass. »Und du, zieh das an. Für ein Fest sollte man hübsch sein. Mir scheint, Dudleys Palast ist genau der Platz, der deinem müden Hirn auf die Sprünge hilft. Keine Bange, wir werden nicht zu Fuß gehen. Ich spendiere eine Fahrt im Kahn.«
    Er machte eine kurze Pause, während Nat mit einem nassen Lumpen gelaufen kam. Eifrig wusch der Junge Cass’ Gesicht und Arme. Sie ließ es geschehen.
    »Nicht schlecht«, brummte Painbody. »Vielleicht können wir dich ja in Dudleys Haushalt an den Mann bringen. Und wenn nicht, wirst du dich doch sicher an eine Seitenpforte erinnern, ein Schlupfloch in der Gartenmauer, einen Weg über die Küche. Es gibt kein Adelshaus ohne geheime Zugänge, und ich bin mir sicher, du kennst sie.«

3.
    A UF DER S TRASSE NACH C ANTERBURY
    ZUR SELBEN S TUNDE
    Langsam schaukelte der Reisewagen über die alte Römerstraße von Dover nach London. Die Eisenräder sprangen über Lehmkrusten, der Wagen knarrte und neigte sich zur Seite. Ein Reiter in Gelehrtentracht löste sich aus dem Gefolgszug und schloss zu dem Gefährt auf. In Höhe des Kutschbocks zügelte er sein Pferd.
    »Verflixt, Goswin! Geht es nicht schneller?«
    Der alte Kutscher hob zu wortreichen Erklärungen an. »Das is ne bescheidene Straße, Zimenes, eine äußerst bescheidene Straße. Beim letzten Schlagloch ging einer Eurer Glaskolben zu Bruch. Dabei heißt es immer, die Engländer hätten beste Handelswege für ihre Wolle! Pah! Und der Stellmacher, der die Karrosse gezimmert hat, gehört vor ein Zunftgericht! Die Achse ächzt und seufzt wie ein altes Weib beim Holzmachen, die Pferde sind widerborstig und ...«
    »Du hast schon ganz andere Wagen gelenkt, und sogar Spaniens Pässe haben wir ohne Schaden überwunden«, unterbrach ihn der Reiter, dessen dunkle, vornehme Züge die südländische Herkunft verrieten, obwohl er in deutscher Zunge mit dem Kutscher sprach.
    Goswin brummelte, war aber ob des versteckten Lobs besänftigt. Er suchte das Gewirr aus Fahrrinnen vor sich ab und lenkte das Gefährt in tiefer ausgefahrene Bahnen. Der Reiter dirigierte sein Pferd zum Heck des Wagens.
    »Mit diesem elenden Karren werden wir noch Tage bis London brauchen, Señor Scheyfve«, beschwerte er sich bei einem beleibten Flamen, der im Wageninneren auf einem Berg aus Daunenkissen thronte. Der Dicke trug die spanische Tracht seines kaiserlichen Dienstherrn Karls V. Gelbliche Flecken, Spuren von Hafer und Fett, verunzierten den gestickten Wappenadler und verrieten die Speisefolge von Scheyfves Frühstück: Eier, Brei und Speck.
    Gesättigt hatte es den Flamen offensichtlich nicht. Mit der linken Hand umfasste er eine Hartwurst, mit der rechten klammerte er sich an einen Haltegurt am Wagenrahmen.
    Träge steckte er den Kopf hervor und sah zum Himmel. »Gegen Mittag werden wir in Canterbury sein«, gab er kauend Auskunft. »Also bald.«
    »Ich weiß, wie die Sonne steht, und Canterbury interessiert mich nicht«, erwiderte Gabriel Zimenes verärgert. Scheyfve übertrieb es nicht nur mit dem

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