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Das Tarot der Engel: Dritter Band der Tarot-Trilogie (German Edition)

Das Tarot der Engel: Dritter Band der Tarot-Trilogie (German Edition)

Titel: Das Tarot der Engel: Dritter Band der Tarot-Trilogie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marisa Brand
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Essen, sondern auch mit den diplomatischen Tugenden – ausweichen, vertrösten und ablenken.
    »Canterbury sollte Euch interessieren«, versetzte der Botschafter heiter. »Es ist eine Stadt heiliger Wunder, auch wenn der verstorbene Heinrich sie ihrer schönsten Schätze beraubt und viele Kapellen geschleift hat! Denkt an die alten Pilgergeschichten und die Kathedrale. Sie ist immer noch einen Besuch wert. Die Wandmalereien haben dem Bildersturm widerstanden, weil den Farben gemahlene Edelsteine beigemischt sind. Eine Pracht! Die Katholiken verstehen sich auf die Kunst.«
    Zimenes hatte die Posse aus munterer Konversation, die beide seit ihrem Zusammentreffen in Dover vor zwei Tagen spielten, gehörig satt. »Señor Scheyfve, lasst den Unsinn! Ich dachte, Ihr wollt so rasch als möglich nach London und dann in den Norden, um Maria Tudor beizustehen.«
    »Eile mit Weile, lieber Zimenes, und carpe diem! Das wird uns beiden gut bekommen.«
    »Ich will keine Fresken bestaunen. Ihr wisst, warum. In Dover erhielt ich eine alarmierende Nachricht von Lunetta. Meine Nichte leidet Todesängste um ihren Sohn, der spurlos verschwunden ist. Ihr Mann Lambert wurde verhaftet, und ihr plaudert von nichts als Würsten und Kirchen. Ich muss nach London, um Samuel zu suchen.«
    Scheyfve klopfte die Kissen zurecht. »Ich weiß, aber mitunter kommt man auf Umwegen schneller zum Ziel und wird mit einer Ahnung von Gottes Wundern belohnt. Vertraut mir: Alles kommt zu dem, der warten kann.«
    »Wollt Ihr mir nicht endlich sagen, wo Samuel steckt?«, brauste Zimenes auf.
    Zwei spanische Wachsoldaten schlossen zu ihnen auf und tippten hochmütig an ihr Barett, dann preschten sie zur Spitze des Zuges, den ein weiterer Hofbeamter in Prunkuniform anführte.
    Scheyfve schaute den Soldaten hinterher. Sein mondrundes Gesicht verriet Unmut. »Das war knapp, Zimenes! Ich habe Euch gewarnt: Sprecht nicht so offenherzig von Euren Absichten, wenn Soldaten meines Nachfolgers Renard in der Nähe sind. Vergesst Eure Tarnung nicht, sonst kann ich nichts für Euch tun: Ihr seid als der künftige Leibarzt von Maria Tudor hier und als glühender Anhänger der spanischen Politik.«
    »Warum zum Teufel ist es so gefährlich, von Samuel zu reden?«, zischte Zimenes. »Er ist Euer Sekretär. Warum hat er Euch nicht nach Dover begleitet, wenn er noch lebt?«
    »Weil er dann kaum noch mein Sekretär wäre.« Scheyfve schnupperte zärtlich an seiner Wurst. »Noch einmal: An der Spitze des Zuges reitet Renard. Er gebärdet sich schon wie der Herr und hält Euch und sogar mich für seine tumben Knechte. Lassen wir ihm diesen Glauben, und spielen wir die Narren, die er in uns sehen will.«
    Scheyfve biss von der Wurst ab. Beim Kauen verwandelte sich sein Gesicht in seliges Lächeln. »Ah, dass Ihr mir diese Wurst aus meiner niederländischen Heimat mitgebracht habt, werde ich Euch nie vergessen. Wie habe ich diese Pfefferwürste vermisst! Ihr seid ein wahrer Freund.«
    »Zum Teu-«
    »Vorsicht!«, raunte Scheyfve lächelnd. »Und guckt nicht so streng!«
    Zimenes Gesicht erstarrte zur Maske, als weitere Soldaten Renards ihren langsamen Wagen passierten. »Als Arzt, Señor Scheyfve, rate ich Euch, fette Speisen nicht in solchen Unmengen zu Euch nehmen. Sie verkürzen Euer Leben.«
    Scheyfve seufzte. »Ach, Zimenes. Mein Leben war lang genug. Ich bin sechzig. Was sollte meinen alten Tagen noch Würze geben, wenn nicht das Essen? Die hohe Kunst der Politik versteht mein Nachfolger besser.«
    Als Renards Soldaten außer Sicht waren, versuchte Zimenes noch einmal sein Glück. »Was verheimlicht Ihr mir?«
    Wieder wich Scheyfve aus. »Englands Hofköche haben nie besonders einfallsreich gekocht, aber schmackhaft. Neuerdings verderben sie das Essen nach französischer Sitte. Bah! Frischen Fisch verdirbt man mit Moschus, ertränkt ihn in Rosenwasser und bepudert des Königs Speisen dick mit Goldstaub! Das soll sein Herz und die Lungen kräftigen. Dudley, dieser Kretin, übernimmt solchen Unsinn, um die Diplomaten vom unermesslichen Reichtum Englands zu überzeugen. Mich nicht! Die Kassen des Königs sind leer wie die unseres Kaisers, aber ich gebe nicht mit prachtvollen Kutschen an.«
    »Worauf wollt Ihr nun wieder hinaus?«, fragte Zimenes mit wachsender Ungeduld. »Für einen guten Wagen sollte das Gold, das Renard aus Spanien mitgebracht hat, wohl langen.«
    Scheyfve richtete sich in den Kissen auf und hielt nach weiteren Reitern Ausschau, sah aber nur die eigenen Leute.

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