Das Tartarus-Orakel
gerade noch, wie Doris zu Boden ging.
»O mein Gott, nein …«, stieß er aus. »Nein …«
Er warf einen Blick in den Hangar.
Das reinste Chaos.
Ein starkes amerikanisches Truppenaufgebot schwärmte von allen Seiten in den Hangar. Die meisten waren zu Fuß, aber dann sah West auch drei Humvees, die durch das Gras angeprescht kamen.
Wie ein Ameisenheer rückten die Amerikaner auf die große, schwarze 747 vor, doch ihr Augenmerk galt vor allem den beiden Fliehenden.
West warf einen Blick zu Lily und Big Ears.
Eins war klar: Sie würden es nicht bis zur Gangway schaffen.
Die Amerikaner würden sie unter Beschuss nehmen und ihnen den Weg abschneiden, bevor sie dort waren. Doch er bemerkte auch, dass die Amerikaner keine gezielten Schüsse abgaben – sie wollten sie nicht töten, sondern nur an der Flucht hindern. Sie wussten, dass sie Lily nichts zuleide tun durften.
Aber Big Ears und Lily schlugen sich zu einem Generatorwagen durch, der kurz vor der Gangway stand. Er war etwa so groß wie ein kleiner Wohnwagen. Normalerweise stieg Sky Monster aus, sobald die Halicarnassus abgestellt war und schloss den Generator an, damit sie von außen mit Strom versorgt wurde. Aber er war noch nicht dazu gekommen.
Lily und Big Ears hechteten hinter den Generatorwagen, und Big Ears eröffnete sofort das Feuer auf die nächsten Verfolger, hielt sie auf und zwang sie dazu, in Deckung zu gehen.
Während West oben die Lage sondierte, kauerten Stretch und Pooh Bear am Fuß der Gangway und versuchten dem Feuer zu entgehen. Zaid war inzwischen auf halber Höhe der Treppe und verzog sich aus dem Schussfeld.
Lily und Big Ears lagen nun hinter dem Generatorwagen – abgeschnitten und vom feindlichen Feuer festgenagelt, keine fünf Meter vom Fuß der Gangway entfernt.
West schaltete sein Funkmikrofon ein. »Sky Monster! Wirf sie wieder an! Wir müssen weg von hier!«
»Roger!« Kurz darauf heulten die mächtigen Düsentriebwerke der 747 wieder auf und übertönten das Knattern der Schnellfeuerwaffen.
»Big Ears!«, rief West in sein Mikro. »Ich will dir das wirklich nicht antun, aber du musst dir was einfallen lassen, damit Lily in die Maschine kommt. Sofort! «
Big Ears’ Gedanken überschlugen sich, während er hinter dem Generatorwagen kauerte.
Fünf Meter . Das war alles. Fünf Meter.
Aber diese fünf Meter kamen ihm vor wie ein Kilometer.
Und mit einem Mal wurde Big Ears klar, in welcher Lage er sich befand.
Egal, wie diese Sache ausging, er würde auf jeden Fall sterben.
Wenn er zur Gangway rannte, wurde er mit Sicherheit erschossen – selbst wenn sie nicht auf Lily feuerten, würden sie ihn niedermachen.
Und wenn er und Lily von den Amerikanern gefangen wurden, würden sie ihn ebenfalls töten.
Und als er sich darüber klar wurde, fasste er einen Entschluss.
»Lily«, sagte er inmitten des Lärms. »Weißt du was? Du bist die beste Freundin, die ich je im Leben hatte. Du warst immer schlauer als ich, aber trotzdem hast du immer Geduld mit mir gehabt. Aber jetzt muss ich etwas für dich tun – und du musst es zulassen. Versprich mir, dass du das tust, wozu du auf die Welt gekommen bist, wenn es so weit ist. Und denk an mich, den dummen Tölpel, der dein Freund war. Ich liebe dich, meine Kleine.«
Dann küsste er sie auf die Stirn, nahm sein MP5 in die eine Hand, hob sie mit der anderen auf und schirmte sie mit seinem Körper ab …
… stürmte aus der Deckung …
… und rannte auf die Gangway zu.
Die Amerikaner reagierten sofort.
Sie eröffneten das Feuer.
Sechs Schritte trennten Big Ears von der Treppe.
Er schaffte vier.
Dann erwischte ihn ein am Boden kauernder US-Soldat mit einem präzisen Kopfschuss.
Die Kugel durchschlug Big Ears’ Schädel, trat auf der anderen Seite wieder aus und brachte ihn auf der Stelle zu Fall – wie eine Marionette, deren Fäden gekappt wurden, sank er zwischen dem Generatorwagen und der Gangway in die Knie und ließ Lily fallen.
»Nein!«, schrie Lily voller Entsetzen. »Neiiiin!«
Die Amerikaner rückten vor, auf das Mädchen zu –
– doch plötzlich hielten sie inne, blieben stehen.
Denn im gleichen Moment tauchten zwei Gestalten unter der Treppe auf, jeder mit zwei MP5 bewaffnet, mit denen sie nach beiden Seiten feuerten, während sie zu Lily hechteten.
Pooh Bear und Stretch.
Sie konnten es nicht geplant haben. Dazu war einfach keine Zeit gewesen. Nein, die beiden hatten unabhängig voneinander gehandelt.
Aber beide hatten die gleiche Absicht.
Sie
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