Das Teehaus im Grünen
alles, was er dazu vorbrachte. »Jetzt muß ich leider gehen. Ich habe Len versprochen, ihn heute abend zu besuchen. Er ist verzweifelt über seine Geldangelegenheiten.«
»Ist er vielleicht in Schwierigkeiten?« fragte Lucy erschrocken. »Er ist ein seltsamer Kaufmann. Eigentlich will er nichts verkaufen. Es wäre wohl besser, wenn er uns nicht soviel Rabatt einräumte. Es ist mir immer peinlich, ihn anzunehmen. Nun hat er gewiß festgestellt, daß er nichts verdient hat.«
»Ganz im Gegenteil! Er hat einen sehr guten Abschluß erzielt, und darüber ist er deprimiert«, sagte Seymour. Sie lachten alle, und er verabschiedete sich.
Beim Aufwaschen sagte Vicky plötzlich: »Er ist doch ein schrecklicher Moralpeter! Als ob es von solcher Bedeutung wäre, wenn ich Mrs. Kelston mal ein bißchen anschwindele!«
»Eigentlich kannst du es als einen Erfolg buchen.«
»Was meinst du um Gottes willen damit?«
»Na, vor einiger Zeit hätte er sich überhaupt nicht darum gekümmert, was du sagst. Die Tatsache, daß er jetzt etwas mißbilligt und Einwendungen macht, zeigt sein Interesse.«
Einige Minuten lang scheuerte Vicky eine Pfanne mit großer Intensität. Dann sagte sie: »Ein Segen, daß er endlich auftaut; das sollte ich ausnutzen.«
»Warum? Er ist nicht der Mensch, der mit sich spielen läßt.«
»Das weiß ich. Deshalb tu ich’s ja so ungern.«
»Was willst du denn machen? Ach, du denkst an den verflixten Dan! Meinst du wirklich, daß du da deine Nase hineinstecken sollst?«
»So darfst du die Sache nicht ansehen. Es klingt, als ob ich eine von den siebengescheiten Frauen wäre, die überall mitmischen wollen.«
»Nein, so bist du nicht; aber du willst immer allen unter die Arme greifen.«
»Hier handelt es sich nicht um alle, sondern um Nan. Ich hab sie gern, und du hast selbst gesagt, daß sie elend aussah, als sie heute morgen hier war. Dan selbst weiß auch nicht mehr aus und ein.«
»Dan schadet das nichts. Die beiden sollten selbst sehen, wie sie mit ihren Angelegenheiten fertigwerden. Mach nichts — nichts Dummes, Vicky!«
Deutlicher mochte Lucy nicht auf das anspielen, was ihrer Meinung nach hier heranwuchs: Vickys erste große Liebe.
11
Am nächsten Morgen sagte Vicky: »Ich gehe zu Nan hinüber, um telephonisch eine große Tüte Mehl für Mrs. Kelston zu bestellen, damit ich sie nicht mehr anzuschwindeln brauche.«
Nan war allein. Vicky fragte absichtlich so ganz nebenher: »Wie geht’s denn? Wir haben Dan seit Tagen nicht mehr gesehen.«
»Ich weiß. Er geniert sich wahrscheinlich. Er erzählte, daß du ihm gründlich die Wahrheit gesagt hättest. Du hast schon recht. Er arbeitet aber wirklich, soviel er kann. Es ist trotzdem zwecklos; wir bringen das Geld nicht rechtzeitig zusammen.«
»Wie lange habt ihr noch Zeit?« fragte Vicky. Ihre Hoffnung schwand dahin. Sie würde nun doch wohl ihr Versprechen einlösen und mit Seymour reden müssen.
»Nur noch drei Tage. Ich wollte schon zu euch gehen und dich bitten, ob du nun nicht doch, wie du es vorgeschlagen hast, für Dan ein gutes Wort bei Seymour einlegen könntest. Er ist so oft bei euch, da müßt ihr euch doch schon mit ihm angefreundet haben. Für dich oder Lucy wird er es vielleicht tun.«
»Ach, du kennst ja Lucy. Sie befaßt sich nicht mit anderer Leute Angelegenheiten. Seymour kommt zwar ziemlich regelmäßig zum Dinner, aber das ist eigentlich mehr eine geschäftliche Abmachung. Er scheint etwas umgänglicher geworden, aber ich weiß nicht, ob das viel zu sagen hat.«
»Bitte, bitte, frag ihn doch! Nicht einmal Mr. Seymour könnte dir etwas abschlagen.«
»Dessen bin ich nicht so sicher, aber ich kann’s versuchen.«
Sollte sie es nun schnell hinter sich bringen und gleich heute abend mit ihm sprechen? Als er aber recht vergnügt, bepackt mit einer großen Tüte, erschien, dachte sie: Nein, heute nicht. Morgen ist auch noch Zeit!
Das paßte eigentlich gar nicht zu einer Persönlichkeit, die mehr zu voreiligem Tun neigte.
»Hier bringe ich Ihnen Mehl für die alte Dame, damit Sie ihr nichts mehr vorzumachen brauchen.« Damit überreichte er seine Tüte.
Sie strahlte ihn an. »Das ist wirklich rührend von Ihnen! Aber ich wollte auch selbst nicht länger flunkern und habe mir deshalb eine Tüte Mehl mit dem Bus kommen lassen. Wie schön! Nun ist ja für lange Zeit vorgesorgt.«
Er sah sie prüfend an. »Sie halten sich also auch lieber an die Wahrheit?«
»Natürlich schwindelt niemand gern. Aber wenn
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