Das Teehaus im Grünen
fand Lucy. »Früher oder später langweile ich sie, und sie langweilen mich.«
»Sei doch nicht so albern! Du bist dreiundzwanzig! Ich wünsch dir viel Vergnügen! Und jetzt lauf!«
Auch das wurde ein Fehlschlag. Der neue Verehrer interessierte sie kaum, und sie merkte, daß er von ihr enttäuscht war. Am nächsten Morgen betrachtete sie sich sehr genau vor dem Spiegel und verglich ihr Gesicht mit dem Vickys. Sie kam zu dem Schluß, daß ihren Zügen wohl der Zauber fehlte. Außerdem entdeckte sie eine zarte Linie um die Mundwinkel, die nicht durch Lachen entstanden war.
Man muß sich eben abfinden, sagte sie sich. Ich bin dumm. An allem ist nur Gordon schuld. Wenn ich nicht ständig an ihn gedacht hätte, hätte ich den gestrigen Abend richtig genossen, und Peter auch. Wir hätten ein neues Treffen ausgemacht, und auf einmal wären wir verlobt gewesen. Wie sehr sich Vicky da gefreut hätte! Sie sieht mich im Geist bestimmt schon als die Herrin auf einem großen Gutshof und als Frau eines reichen Schaf Züchters. Aber aus alledem wird nichts, solange ich mir Gordon nicht aus dem Kopf schlage. Warum gelingt mir das nicht? Ich bin doch sonst so fix im Denken! Und zum hundertsten Male überlegte sie, was ihm wohl zugestoßen sein könnte.
Inzwischen hatte Vicky, die sich nie selbst betrog, erkannt, warum sie sich nichts aus den jungen Männern machte: sie interessierte sich viel zu sehr für Seymour. Zum erstenmal in ihrem Leben mochte sie sich nicht so gern mit anderen Männern amüsieren oder mit ihnen flirten. Früher hatte sie das mit dem größten Vergnügen getan. Jetzt hatte sie nur noch einen im Kopf. Ihn wollte sie an sich binden, und sie war überzeugt, daß ihr das auch gelingen werde. Die Abende ohne Lucy waren heiter und gemütlich gewesen, trotz der drolligen und nichtssagenden Bemerkungen von Mrs. Kelston.
»Wie können Sie das nur aushalten?« fragte Seymour einmal, als er ihr beim Abräumen half.
»Ach, sie ist doch so lieb.«
»Sie ist keineswegs lieb, sondern eine schwierige alte Frau, und sie macht Ihnen viel Arbeit.«
»Aber es muß doch jemand für sie sorgen, bis sie wieder nach Hause kann.«
»Und warum müssen gerade Sie das tun? Es sollte ja nur zwei bis drei Tage dauern; jetzt ist sie beinahe zwei Wochen hier.«
»Ich weiß«, lächelte Vicky geduldig. »Und sie wird uns wahrscheinlich noch einmal solange erhalten bleiben. Harry bekam heute ein Telegramm, daß die Tochter der Haushälterin Grippe habe. Nun möchte sie dort bleiben und das Mädchen gesundpflegen. Aber Harry bezahlt gut, und sie macht uns nicht viel Arbeit. Nur ihre Vorliebe für die Insekten stört mich etwas.«
»Das ist Ihre schwache Seite, nicht wahr?«
»Ja, schon immer. So große Spinnen mit langen Beinen machen mir eine Gänsehaut. Und vor Bienen und Wespen habe ich gräßliche Angst. Die stechen mich immer, und ich kriege dann mächtige Beulen.«
Er lachte. »So geht es mir auch. Und vor Ameisen graust es mir, offen gestanden.«
»Die machen mir nichts aus, solange sie nicht ins Haus kommen. Im Garten haben wir ja eine Unmenge, und Mrs. Kelston verbringt ihre Zeit damit, sie zu beobachten und dabei die Heilige Schrift zu zitieren.«
»Die Bibel?«
»Ja. >Siehe die Ameisen, du Faulenzer.. .< oder so ähnlich. Aber ich kann mich für Ameisen nicht begeistern. Ich überlasse sie ihrem Schicksal; Hauptsache, sie tun mir nichts.«
An diesem Abend war Vicky sehr glücklich; sie wußte eigentlich nicht, warum. Es hatte kein romantisches Geflüster gegeben; bei einem Gespräch über Insekten konnte man auch kaum gefühlvoll werden. Aber er war so fröhlich und zutraulich gewesen. Sogar die Abneigung gegen die Kerbtiere konnte etwas Verbindendes sein, sagte sie sich lächelnd. Sie erinnerte sich jener ersten Begegnung, als er so kühl und mißbilligend auf sie herabgesehen hatte, während sie vor ihm im Grase gelegen und bestimmt einen reizvollen Anblick geboten hatte. Jawohl, sie hatte Fortschritte gemacht, wenn es auch ziemlich anstrengend gewesen war. Gab sie sich deshalb soviel Mühe, weil Seymour so ablehnend war? Nein, da war noch ein anderer Grund: es war erstaunlich, aber sie hatte sich in diesen Mann verliebt. Als sie sich dessen bewußt wurde, faßte sie sogleich den Entschluß, er solle sich auch in sie verlieben. Irgendwie würde sie das schon zustande bringen.
Amy Swales beobachtete diese Entwicklung insgeheim mit glühendem Interesse. Mr. James war ihr ans Herz gewachsen. Sein Unglück und seine
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