Das Teekomplott - Ostfrieslandkrimi
Senior.
„Moin“, kam es vielstimmig
zurück.
„Ist wohl irgendwas passiert“,
sagte dann eine unaufgeregte Männerstimme, und Büttner ordnete sie einem
älteren Mann zu, der ihn, die Hände tief in seinen Hosentaschen vergraben,
ruhig ansah.
„Ja, wir haben am Kanal einen
Toten gefunden.“
Durch die Menge ging ein Raunen,
vereinzelt fingen ein paar Frauen an zu tuscheln, ansonsten blieb es ruhig.
„Und wer ist der Tote?“, ergriff
der ältere Mann wieder das Wort, sah diesmal aber Immo an.
„Mein Vater, Johann“, antwortete
der.
„Lübbo ist ... tot?“, fragte der
zurück, und in seinen Augen stand nun deutliches Entsetzen, während das Raunen
und auch die Gespräche in der Menschenmenge vernehmbar lauter wurden.
„Ja.“
„Aber ... wie ...?“
„Wissen wir noch nicht. Er kommt
jetzt in die Gerichtsmedizin und da ...“ Immo wurde von einem herannahenden
Auto unterbrochen, dem jetzt alle mit betretener Miene entgegensahen. Es war
der Leichenwagen.
Büttner räusperte sich, als er
sah, wie sich auch die Herren vom Bestattungsinstitut beim Anblick seines
versunkenen Wagens ein Grinsen nicht verkneifen konnten. „Könnten wir dann mal
...“, sagte er an Immo gewandt und deutete auf sein Auto.
„Ach ja, sicher, ich bringe
schnell den Trecker in Position.“
Wie Büttner es befürchtet hatte,
wurde die Bergung seines Wagens zu einer fast noch größeren Attraktion als die
Bergung der Leiche. Mit guten Tipps und frechem Gefrotzel wurde jedenfalls
nicht gespart, während Immo das Abschleppseil befestigte und das Fahrzeug aus
seinem Schlammloch befreite.
5
Mord. Es war Mord gewesen.
Irgendjemand hatte Lübbo Krayenborg umgebracht. Das hatte die Gerichtsmedizin
soeben bestätigt. Der alte Mann war vergiftet worden. Offensichtlich hatte ihm
jemand etwas in seinen 22-Uhr-Tee geschüttet, dann war er, nach Aussage seiner
Frau, zu einem Spaziergang aufgebrochen, das Gift hatte langsam seine Wirkung
entfaltet und dann war er umgefallen. Musste alles recht unspektakulär
vonstatten gegangen sein, aber das Ergebnis blieb dasselbe. Hauptkommissar
David Büttner musste einen Mordfall aufklären. Und das passte ihm gar nicht. Er
schob lieber eine ruhige Kugel. Gerade erst hatte er sich von einer ganzen
Mordserie erholt, die ihm im Winter jede Menge Nerven gekostet hatte. Das Motiv
war damals grenzenlose Gier und rücksichtsloses Machtstreben gewesen. Der
größte Halunke saß nun für den Rest seines Lebens hinter Gittern. Das kam
davon, wenn man den Hals nicht voll bekam. Nur schade, dass es im Knast heute
nicht mehr nur Wasser und angeschimmeltes Brot zu essen gab. Er hätte es diesem
Widerling gegönnt.
„Schöner Mist“, knurrte Büttner
und schlug mit der flachen Hand auf seinen Schreibtisch. Nun ja, dann würde er
jetzt also mit den Ermittlungen beginnen. Warum nur brachte jemand einen Mann
um, der den Zenit des Lebens bereits deutlich überschritten, ein unheilbares
Nierenleiden und damit sowieso nicht mehr allzu lange Zeit zu leben hatte? Gut,
seine Frau hatte anscheinend über Jahre, wenn nicht gar Jahrzehnte hinweg sehr
unter seinen Gewaltausbrüchen gelitten und nicht nur jede Menge körperliche,
sondern sicherlich auch seelische Blessuren davongetragen. Keiner könnte ihr
verdenken, wenn sie ihn tatsächlich vergiftet hätte, um die paar ihr noch
verbleibenden Jahre in Frieden vor sich hinzuleben. Sie war momentan ganz klar die Hauptverdächtige . Aber selbst, wenn sie es gewesen war,
hätte sie vermutlich nicht allzu viel zu befürchten. In ihrem Fall würde
wahrscheinlich jeder Richter Gnade vor Recht ergehen lassen. Aber Büttner
befürchtete, dass er so einfach nicht davon kam. Bei seinem Glück lag der Fall
bestimmt komplizierter.
Denn klar war inzwischen auch,
dass Lübbo Krayenborg einer ganzen Menge Menschen ein Dorn im Auge war. Das hatte
zumindest sein Sohn behauptet. Anscheinend war der alte Mann nicht gerade der
Sympathieträger des kleinen Dorfes gewesen. Immo Krayenborg jedenfalls waren
auf Anhieb eine ganze Menge Zeitgenossen eingefallen, die für den Mord infrage
kämen. Allen voran ein gewisser Eike Diekhoff, der in Canhusen einen
landwirtschaftlichen Betrieb führte und dem das Mordopfer die Zerstörung seiner
Existenz angedroht hatte. Und tatsächlich waren in seinen ökologisch
herangezüchteten Tieren Wachstumshormone gefunden worden, die da nicht
hingehörten. Wenn das mal kein wirklich hübsches Motiv war. Den würde sich
Büttner also als erstes vornehmen.
Und
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