Das Teekomplott - Ostfrieslandkrimi
sie vor rund fünf Jahren doch so clever
gewesen, einen wohlhabenden, kinderlosen Witwer zu heiraten, der nach dem Tod
seiner ersten Frau die Einsamkeit nicht ertrug und sich nur wenige Wochen nach
deren Beerdigung dazu entschlossen hatte, sich eine neue Frau zu suchen. Wie
genau er dabei ausgerechnet auf Hermine gestoßen war, blieb ein Geheimnis. Auf
jeden Fall waren sie ratzfatz verheiratet gewesen und sie war zu ihm in seine
Villa nach Emden gezogen, hatte aber ihr kleines Häuschen in Canhusen, das sie
von ihren Eltern geerbt hatte, behalten. Und, wie es der Zufall wollte, war der
reiche Gatte schon bald darauf einer seltsamen Krankheit erlegen, deren Ursache
bis zum heutigen Tage unbekannt war. Hermine hatte daraufhin die Villa in Emden
verkauft und war wieder nach Canhusen zurückgekehrt. Sehr zum Leidwesen ihrer
Nachbarn, die über ihren Wegzug eigentlich recht froh gewesen waren und ihr
außerdem ihren neuen Wohlstand neideten. Seither lebte Hermine von dem üppigen
Erbe ihres verblichenen Gatten. Eigentlich hätte sie sich ein richtig schönes
Leben machen können, aber zur Verwunderung ihrer Nachbarschaft zog sie sich
mehr und mehr in ihr kleines Häuschen und in sich selbst zurück und brach jeden
Kontakt zur Außenwelt ab.
Und dann war da noch ihr Sohn
Hubert, der sich nie richtig von seiner Mutter hatte trennen können und in
einer kleinen Laube in ihrem Garten lebte. Hubert war zeitlebens Hermines
Augenstern gewesen, einen offiziellen Vater aber hatte er nie gehabt. Und damit
auch keine Freunde. Denn in den sechziger Jahren auf die Welt gekommen zu sein,
ohne einen rechtmäßigen Vater vorweisen zu können, war in den Augen der
Nachbarschaft ein nicht wieder gut zu machender Affront gewesen, den man ihm
zeitlebens nicht verziehen hatte. Sie hatten darauf verzichtet, ihre eigenen
Kinder mit ihm spielen zu lassen, denn die wären von diesem kleinen Bastard und
seiner unehrenhaften Mutter zwangsläufig verdorben worden. Ja, Hubert war immer
sehr einsam gewesen, und er war es heute noch. Immer mal wieder hatte er nach
einer Frau Ausschau gehalten, mit der er eine eigene kleine Familie hätte
gründen können. Aber zu seinem Bedauern hatte keine seiner Auserwählten vor den
Augen seiner Mutter bestehen können. Somit war er alleine geblieben. Die
verspätete Hochzeit Hermines hatte ihn dann aus der Bahn geworfen, er hatte
angefangen zu trinken und bis heute nicht wieder aufgehört.
Und noch einen Makel hatte er,
mit dem die Nachbarschaft nicht bereit war umzugehen. Er sah aus wie jemand,
den sie alle kannten. Wie jemand, der mitten unten ihnen lebte, dem man großen
Respekt entgegenbrachte und der eine hübsche kleine Familie sein eigen nannte.
Er sah aus wie Lübbo Krayenborg. Was allerdings nie Letzterem, sondern immer
nur Hubert zum Nachteil gereicht hatte. Denn, wie konnte der Junge es wagen,
seine unehrenhafte Abstammung so offensichtlich zur Schau zu tragen? Wie konnte
er, alleine durch seine bloße Anwesenheit, der Familie Krayenborg immer wieder
vor Augen führen, dass seine Mutter den armen Lübbo so hinterhältig
hereingelegt hatte? Jahrelang hatte man mit allen möglichen Mitteln versucht,
Hermine zu überreden, das Dorf zu verlassen und damit ihren Bastard aus dem
Blickfeld der anständigen Leute und des gehörnten Lübbo zu entfernen. Aber sie
war geblieben. Eine Unverschämtheit, die man sie und Hubert hatte spüren
lassen.
Und nun war Lübbo tot. Jemand
hatte ihn umgebracht. Und keinen würde es wundern, wenn es Hermine getan hätte.
Das hatte Jan Scherrmann aus den Gesprächen über den Gartenzaun schon
herausgehört. Ein jeder im Dorf schien ihr eine solch verspätete Rache ohne
weiteres zuzutrauen. Denn, hatte sie nicht gerade in der letzten Zeit ganz
besonders giftige Bemerkungen aus ihrem Fenster heraus gemacht und dabei immer
wieder auch Lübbo Krayenborg als hinterhältigen Schuft bezeichnet? Ja, seit sie
nach Canhusen zurückgekehrt war, war sie immer seltsamer geworden. Es stand zu
vermuten, dass sie ihren vermögenden Gatten auf dem Gewissen hatte. Wenn sie es
also schon einmal gemacht hatte, das Morden, warum dann kein zweites Mal?
Jan Scherrmann empfand Mitgefühl
mit dieser armen alten Frau und ihrem Sohn, als er auf seiner Terrasse sitzend
über ihr verpfuschtes Leben sinnierte, aus dem ihm gleich nach seinem Einzug
von so manch wohlmeinender Nachbarin hinter vorgehaltener Hand die ein oder
andere Anekdote berichtet worden war. Er solle sich tunlichst von ihr und ihrem
Sohn
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