Das Teekomplott - Ostfrieslandkrimi
Rest ihres
Lebens untrennbar aneinandergekettet haben.“
„Dazu müssten wir vielleicht die
alten Damen aus dem Café noch mal befragen“, schlug Hasenkrug vor.
„Ja, das auch. Aber zunächst
machen wir jetzt was anderes. Herr Scherrmann, steht diese Fotoausstellung
noch?“
„Ja, sicher. Noch mehrere
Wochen.“
„Meinen Sie, man könnte über die
Fotos ein wenig über all die Herren in Erfahrung bringen?“
Scherrmann zuckte die Schultern.
„Sicher. Aber wohl eher, wenn Sie jemanden zur Seite haben, der ein bisschen
was dazu erzählt. Einen Zeitzeugen sozusagen.“
„Toller Tipp. Nur leider mussten
wir schon die schmerzvolle Erfahrung machen, dass es hier nicht so viele alte
Menschen gibt, die bereit wären, uns auch nur ansatzweise etwas zu erzählen.“
Scherrmann sog hörbar die Luft
ein, dann sagte er: „Doch. Ich denke, einen Menschen gibt es, den man eventuell
dazu kriegen könnte. Aber es wird nicht einfach.“
„Ach was“, sagte Büttner und
verzog zweifelnd den Mund, „da bin ich aber mal gespannt.“
„Hermine Sanders“, sagte
Scherrmann knapp.
„Hermi ...“. Büttner sah ihn mit
offenem Mund an. „Das ist nicht Ihr Ernst. Diese Frau ist total gaga!“
„Das stimmt“, nickte Scherrmann,
„auf ihre Art ist sie gaga. Aber andererseits schiebt sie einen unheimlichen
Hass. Das sollte man sich zunutze machen.“
„Ihr Hauptfeind ist aber bereits tot“,
gab Hasenkrug zu bedenken, „den kann sie nicht mehr ans Messer liefern.“
„Sie hat in diesem Dorf nur
Hauptfeinde“, entgegnete Scherrmann. „Und bedenken Sie, dass sie nach dem Tod
ihres Mannes wieder nach Canhusen zurückgekehrt ist. Warum? Masochismus? Nein,
ich glaube, dass sie mit all den Menschen, die ihr und ihrem Sohn zeitlebens so
böse zugesetzt haben, noch nicht abgeschlossen hat. Sie wartet auf ihre Chance.
Und die geben wir ihr nun.“
Büttner sah ihn zweifelnd an. Er
erinnerte sich noch gut an die keifende Lady, die ihnen ihren ganzen Hass aus
dem Fenster entgegen gespuckt hatte. Eigentlich hatte er keine Lust, noch mal
mit ihr in Kontakt zu treten. „Und wenn Sie selber die drei Männer auf dem
Gewissen hat?“, fragte er. „Ganz ausschließen können wir das nicht. Dann machen
wir quasi eine Mörderin zu unserer Komplizin.“
„Für Hermine Sanders gilt das
Gleiche, wie für Fenna Krayenborg. Wie hätte sie es anstellen sollen?“, wandte
Scherrmann ein.
„Vergessen Sie ihren Sohn nicht.
Hubert. Er könnte die Morde für sie ausgeführt haben.“
„Ich schätze, das Risiko müssen
wir eingehen“, sagte Hasenkrug.
Büttner schaute stirnrunzelnd von
einem zum anderen. „Also gut. Versuchen wir es.“ Er schlug sich mit beiden
Händen auf die Oberschenkel, dann stand er auf. „Na“, sagte er mit einem
bitteren Lachen auf dem Weg zum Ausgang, „das wird ein Spaß!“
19
Deike schaute Hubert prüfend an.
Sie hatte ihn vor rund einem halben Jahr zum letzten Mal gesehen, und sie war
erschrocken, wie schlecht er aussah. Eigentlich war Hubert immer ein gut
aussehender Mann gewesen, nach dem sich auf der Straße sogar die eine oder
andere Frau umsah. Ja, dachte sie bei sich, tatsächlich hätte Hubert beim
weiblichen Geschlecht sicherlich gute Chancen gehabt, wäre sein Schicksal
anders verlaufen. Die Umstände aber, unter denen er aufgewachsen war, die
Ablehnung seiner Mitmenschen, die er schon als kleiner Junge hatte erfahren
müssen sowie die Einsamkeit, unter der er sein ganzes Leben gelitten hatte,
hatten ihn jeder Möglichkeit beraubt, auch nur ein halbwegs angenehmes Leben an
der Seite einer Frau zu führen.
Deike wusste, dass Hubert sich
Hoffnungen gemacht hatte, dass sich alles für ihn zum Besseren wenden würde,
als seine Mutter vor einigen Jahren geheiratet hatte. Er hatte gehofft, sich
nun endlich wenigstens aus ihren Klauen befreien zu können. Aber sie hatte es
nicht zugelassen. Vielmehr hatte schnell das Gerücht die Runde gemacht, dass
sie ihn einmal bei einer Verabredung mit einer jungen Frau in einem Café
erwischt und ihn unter Flüchen und vor den entsetzten Augen seiner Angebeteten
aus der Tür geprügelt habe. Ob das so stimmte, wusste kein Mensch. Aber klar
war, dass dies Huberts letztes Date gewesen war und er sich seither in der
Öffentlichkeit nie wieder mit einer Frau hatte sehen lassen. Nur kurz darauf
hatte sein Stiefvater unter nicht näher bekannten Umständen das Zeitliche
gesegnet. Hermine war in ihr Haus nach Canhusen zurückgekehrt und hatte Hubert
wieder unter
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