Das Teekomplott - Ostfrieslandkrimi
Am liebsten hätte Büttner jeden einzelnen
Bewohner dieses Dorfes aufs Polizeirevier geladen und durch die Mangel gedreht.
Irgendwer würde dann schon die Klappe aufmachen.
„Moin, Herr Kommissar“, hörten
die Polizisten jemanden sagen, als sie am Haus der Familie Koopmann
vorbeikamen. Sie schauten auf. Da stand dieser junge Mann, Kevin hieß er ja
wohl, und sah sie gelangweilt an. Am anderen Ende des Gartens stand Amelie
leicht bekleidet hinter dem Gartenzaun und zog an einer Zigarette. „Moin, Herr
Kommissar“, sagte auch sie und stieß den Rauch aus.
„Ist das wahr, dass der olle
Buurmann in der Güllegrube ersoffen ist?“, fragte Kevin in einem Tonfall, als
würde er nach der Uhrzeit fragen.
„He, du Arsch“, keifte im
nächsten Moment Amelie los, „vergiss nicht, dass du von meinem Urgroßvater
sprichst!“
„Sei froh, dass er hinüber ist,
das Arschloch“, erwiderte Kevin grinsend. „Würde mich schämen, wenn ich von
sowas abstammen würde.“
Mit einem hohen Satz, der Büttner
einiges an Bewunderung abverlangte, schoss Amelie über den Zaun und stürzte
sich wie eine wild gewordene Katze auf Kevin. Noch ehe der sich’s versah, fuhr
ihm ein Satz langer, rot lackierter Fingernägel durchs Gesicht. Er heulte vor
Schmerzen auf und rammte Amelie reflexartig seine Faust in den Magen, so dass
sie keuchend in die Knie ging. Noch bevor sie sich wieder erholt hatte und
einen neuen Angriff starten konnte, fuhr Hasenkrug dazwischen. Was er
allerdings nicht bedacht hatte, war, dass Kevin mit seiner Parade noch nicht
fertig gewesen war, sondern genau in dem Moment, als Hasenkrug in seine
Reichweite kam, das rechte Bein ausfuhr und – den Polizisten schwungvoll am
Allerwertesten traf. Hasenkrug taumelte und versuchte sich am Gartenzaun
abzustützen, aber es war zu spät. Er landete kopfüber auf Amelie, die einen
empörten Aufschrei tat und ihn dann wie ein lästiges Insekt von sich stieß.
„Wenn ihr dann alle mit eurem
bühnenreifen Auftritt fertig seid, würde ich mich gerne mal ein wenig mit euch
unterhalten“, ließ Büttner betont ruhig seine Stimme vernehmen. „Habt ihr
vielleicht ein ruhiges Schattenplätzchen, an das man sich mal zurückziehen
könnte, Kevin?“
Kevin warf einen wütenden Blick
auf Amelie, während er die Kratzer auf seinen Wangen befingerte. „Ich geh mal
kurz rein und schmier was drauf“, sagte er gedehnt. „Sie können sich da unter
den Baum setzen“, fügte er mit einem Fingerzeig auf eine gusseiserne Gartenbank
hinzu. „Und du, blöde Schlampe“, fuhr er Amelie an, „sieh zu, dass du Land
gewinnst. Sonst mach ich Blutwurst aus dir.“
Amelie, ihre Hände auf den
schmerzenden Bauch gepresst, setzte zu einer Erwiderung an, verkniff sie sich
mit einem Blick auf Büttner dann aber und trat mit einer wegwerfenden
Handbewegung den Rückzug an. Sie überquerte den Gartenzaun genauso, wie sie
gekommen war, nämlich mit einem olympiareifen Sprung – was Büttner zu der
Annahme veranlasste, dass ihre Verletzungen nicht allzu schlimm sein konnten.
„Verdächtigen Sie mich nun auch
noch, den alten Buurmann um die Ecke gebracht zu haben?“, fragte Kevin, nachdem
er aus dem Haus wieder zurück war und sich vor Büttner und Hasenkrug im
Schneidersitz auf den Rasen gesetzt hatte. Statt blutroter hatte er nun gelblich-bräunliche
Streifen auf der Wange und Büttner fragte sich, was für eine Wundsalbe wohl
eine so wenig ansehnliche Farbe auf den Kratzern hinterließ. Kevin deutete
seinen fragenden Blick richtig, denn er fuhr sich kurz mit den Fingern über die
Striemen und sagte dann: „Schwedenbitter. Meine Mutter schwört drauf. Hilft
gegen alles. Ist ein absolut krasses Zeug.“
„Muss ich mal meiner Frau sagen“,
murmelte Büttner, „die hat’s mit solchen Wundermitteln. Hier im Dorf ist nach
wie vor jeder verdächtig, Kevin“, beantwortete er dann dessen Frage. „Ich denke
aber, dass du genügend Unabhängigkeit hast, um mir über den ein oder anderen
dörflichen Mitbewohner etwas erzählen zu können. Ich werde nämlich das Gefühl
nicht los, dass hier jeder mehr weiß, als er uns sagen will. Also, was war das
deiner Meinung für ein Typ, dieser Menno Buurmann?“
„Der olle Buurmann? Das war ein
Arschloch, hab ich doch gerade schon gesagt.“
„Woraus schließt du das?“
„Aus allem, man. Der war einfach scheiße.
Der hat sein Ende echt verdient.“
„Nun ja, in einer Güllegrube
ersäuft zu werden, also – da gehört schon jede Menge Hass dazu,
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