Das Teekomplott - Ostfrieslandkrimi
was sein Freund
Buurmann nicht tun soll. Immer nur dieser eine Satz! Was nützt uns denn, bitte schön,
eine solche Aussage?!“ Bereits seit einer halben Stunde saßen er und Sebastian
Hasenkrug am Bett des alten Mannes, der auf seine nächste Beruhigungsspritze
wartete. Nur war der zuständige Arzt gerade noch anderweitig unterwegs, und die
Polizisten hatten die Möglichkeit nutzen wollen, Lampe ein weiteres Mal zu
befragen. Der aber war nach wie vor nicht ansprechbar, brabbelte nur wirr vor
sich hin oder schrie immer wieder diesen einen Satz.
„Vier tote alte Männer“, brummte
Büttner, „und der fünfte reif für die Klapse. Na, das ist ja mal ein tolles
Ermittlungsergebnis. Der Staatsanwalt wird uns dafür bestimmt einen Orden
verleihen.“
Hasenkrug machte mit seinem Kopf
eine knappe Bewegung hin zu Rudolf Lampe. „Wenigstens haben wir jetzt womöglich
unseren Mörder.“
„Ach ja?“, erwiderte Büttner
ungehalten. „Ist ja schön, dass Sie es so sehen können, Hasenkrug. Da sind Sie
ja schon ein ganzes Stück weiter als ich – und als Sie selbst am gestrigen
Abend noch.“
„Aber, wer soll es denn sonst
gewesen sein? Die Sache ist doch eigentlich klar. Ich habe da heute Nacht
nochmals drüber nachgedacht und …“
„Freut mich sehr, dass Sie klar
sehen, Hasenkrug. Wenn Sie mir jetzt bitte noch die Beweise für Ihre Theorie
liefern würden, dann könnte ich bestimmt auch wieder besser schlafen. Meine
Frau war schon kurz davor, mich aus dem Schlafzimmer auszuweisen, weil ich
angeblich ständig vor mich hinbrabbele. Genau wie unser Patient hier. Hm. Wann
kommt denn eigentlich seine Familie? Vielleicht wird er ja dann wieder wacher.“
„Frau Lampe und ihre Stieftöchter
sind auf dem Weg, Chef. Sie waren erst heute Morgen in Richtung Osten gereist,
weil da irgendeine Tante im Sterben liegt. Nun stecken sie irgendwo zwischen
Dresden und Bremen fest. Irgendein technischer Defekt bei der Bahn.“
„Na prima. Wissen Sie was,
Hasenkrug …“
„So, dann wollen wir doch mal
schauen, ob wir unserem Patienten nicht zu ein wenig angenehmeren Träumen
verhelfen können“, sagte in diesem Moment eine dunkle Stimme von der Tür her.
Lampes Hausarzt, Dr. Frank Gerber, war eingetroffen. „Und Sie möchte ich
bitten, ihn jetzt in Ruhe zu lassen“, sagte er an Büttner gewandt. „Er wird
Ihnen in diesem Zustand sowieso keine befriedigende Auskunft erteilen können.“
„Ach was“, erwiderte Büttner,
„war mir noch gar nicht aufgefallen. Eigentlich hat er uns alles druckreif in
die Feder diktiert. Ein astreines Geständnis. Könnte schöner nicht sein.“
Dr. Gerber lachte, während er
eine Spritze aufzog. „Ich weiß ja nicht viel über die Morde, eigentlich nur
das, was in der Zeitung stand. Aber das alleine reicht schon, Lampe als
Verdächtigen auszuschließen. Niemals hätte er die Morde ausführen können, schon
gar nicht den an diesem Grensemann.“
„Er ist zwar klein, aber
womöglich sehr kräftig“, gab Hasenkrug zu bedenken. „Ich meine, nur, weil er nicht
die Körpergröße hat …“
„Er hat auch nicht die
Muskelkraft“, schnitt ihm der Arzt das Wort ab. „Ich unterliege zwar der
Schweigepflicht, aber es ist doch im ganzen Dorf bekannt, dass Lampe unter
einer erheblichen Muskelschwäche leidet. Ist Ihnen denn nicht aufgefallen, mit
welcher Mühe er sich manchmal bewegt?“
Hasenkrug sah ihn finster an.
„Und wieso erfahren wir das erst jetzt? Wir hätten unsere Ermittlungen doch
ganz anders aufgebaut, wenn …“
„Selbst wenn Sie es gewusst
hätten, wären Sie jetzt noch keinen Schritt weiter.
Oder wollen Sie mir wirklich erzählen, dass dieser kleine, kranke Mann die
ganze Zeit über Ihr Hauptverdächtiger war?“
„Wohl kaum“, brummte Büttner.
„Kommen Sie, Hasenkrug, wir gehen.“ Beim Hinausgehen wies er den Polizisten,
der vor Lampes Haus Wache hielt, an, weiterhin auf der Hut zu sein, dann trat
er in den warmen Spätsommertag hinaus.
In Canhusen deutete nichts mehr
darauf hin, dass es am Abend zuvor eine fröhliche und ausgelassene Party im
Garten von Bauer Immo Krayenborg gegeben hatte. Das Dorf lag ruhig und
friedlich in der Sommerhitze, und außer lautstarkem Vogelgezwitscher war kein
Laut zu hören. Büttner und Hasenkrug liefen schweigend an der Kirche vorbei die
Lohne hinunter, ein jeder von ihnen in Gedanken versunken. Wie sollte es jetzt
weitergehen? Wo sollten sie ansetzen, um den Mörder zu finden, der hier auf so
brutale Weise sein Unwesen trieb?
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