Das Teekomplott - Ostfrieslandkrimi
als eine Art Tagebuch geführt, damals, als sie noch
Kontakt nach Canhusen hatte.“ Er schob seinem Chef den dicken Wälzer über den
Tisch.
„Mensch, Hasenkrug, und das sagen
Sie erst jetzt?“, rief Büttner verärgert und machte sich sogleich daran, das
Album durchzublättern.
„Mir kam eine Leiche dazwischen,
das schien mir wichtiger zu sein“, maulte Hasenkrug beleidigt, zog dann aber
seinen Stuhl auf die gegenüberliegende Schreibtischseite und setzte sich neben
seinen Chef.
„Schauen Sie mal, Hasenkrug“,
rief Büttner, nachdem er einige Minuten schweigsam die vergilbte
Schwarzweißaufnahmen betrachtet und sich die daneben gekritzelten und schwer zu
entziffernden Anmerkungen durchgelesen hatte. „Hier haben wir sie ja alle, die
ganze Saubande!“ Er klopfte auf ein Foto, das die Mitglieder des
Altherrenstammtisches als stramme junge Männer zeigte. „Lübbo Krayenborg,
Johann Schepker, Gustav Grensemann, Menno Buurmann und Rudolf Lampe. Letzterer
mit Hund auf dem Arm. Und wissen Sie wie dieser Hund heißt, Hasenkrug?“ Büttner
schlug vor Begeisterung mit der flachen Hand auf den Schreibtisch.
„Ähm ... Wie war das noch gleich.
Churchill?“
„Churchill?“ Büttner lachte laut
auf. „Sie sind ein Spalter Hasenkrug, ja in der Tat, das sind Sie! Ein echter
Brüller, Hasenkrug! Churchill! Da hört sich doch alles auf! Stellen Sie sich
nur mal vor, irgendjemand hätte seinen Hund 1949 Churchill genannt! Nicht
auszudenken, was sie mit diesem Vaterlandsverräter gemacht hätten! Der Hund
hieß Adenauer, Hasenkrug, und nicht Churchill!“
„Klar, Chef, Adenauer“, sagte
Hasenkrug und sah Büttner mit hochrotem Kopf beleidigt an. „Kann doch mal
passieren ...“
„Egal“, unterbrach Büttner ihn mit
einem Fingerzeig auf das Album, „auf jeden Fall ist das Foto aufschlussreich,
denn Kinder waren die jungen Männer da ja nun eindeutig nicht mehr. Fällt Ihnen
was auf, Hasenkrug? Der Hund kam im gleichen Jahr ums Leben wie Tammo Freerksen
und Siebo Manninga.“
„Wo steht das denn? Da steht doch
nur, dass das Foto von 1949 ist.“
„Nein, da, ganz unten, im letzten
Satz steht eindeutig, dass Adenauer im Herbst 1949 von Buurmann in der Jauche
von Bauer Franzen ersäuft wurde.“
„Bauer Franzen? Aber so alt ist
der doch noch gar nicht“, gab Hasenkrug zu bedenken.
„Hier steht’s: Jauche von Bauer
Franzen. Wird wohl der Vater gewesen sein. Ist ja auch egal. Ersäuft ist
ersäuft.“
„Gab es denn damals eigentlich
schon Güllegruben?“, hakte Hasenkrug ein. „Kamen die nicht erst mit der
automatischen Entmistung?“
„Das ist doch völlig egal, wo
Buurmann damals die Jauche gefunden hat. Wichtig ist nur, dass es der Hund von
Rudolf Lampe war, der darin versenkt wurde. Und das wird ja wohl so sein, wenn
es hier steht.“
„Aber warum hat Buurmann so was
gemacht?“
„Eben das gilt es herauszufinden,
Hasenkrug. Und mein Bauchgefühl sagt mir, dass das mit dem Jahr 1949 kein
Zufall ist. Den Lampe drehe ich solange durch die Mangel, bis er heult, das
kann ich Ihnen sagen. Und der Teufel soll mich holen, wenn wir dann nicht auch
alles andere von ihm erfahren. Ja, unser Fall ist so gut wie gelöst, Hasenkrug,
da können Sie einen drauf nehmen.“
„Dazu wäre es vielleicht ganz
praktisch, wenn Lampe wieder ansprechbar wäre. Noch dürften Sie nicht viel aus
ihm herausbekommen, fürchte ich. Wie Sie wissen, war er in einem völlig
desolaten geistigen Zustand, als wir ihn vorhin verließen. Kein Gericht der
Welt ...“
Büttner schnitt ihm mit einer
harschen Geste das Wort ab. „Sag ich doch, Sie sind ein Spalter, Hasenkrug, ein
verdammter Spalter.“
27
Hatte er auch am letzten Abend
seiner Frau noch euphorisch verkündet, der nächste Tag werde sein Glückstag
sein, weil er sich sicher sei, die elenden Canhuser Morde endlich aufklären zu
können, so wünschte sich Hauptkommissar David Büttner bereits am kommenden
Vormittag, gar nicht erst aufgestanden zu sein. Und das lag nicht nur daran,
dass ihm der fette Schweinebraten, den seine Frau so herrlich zubereitete und
von dem er nicht genug bekommen konnte, eine ausgewachsene Gallenkolik beschert
und ihn die ganze Nacht nicht hatte schlafen lassen. Und auch der Anruf des
Staatsanwalts, der ihn am frühen Morgen noch vor dem ersten Kaffee
zusammengeplärrt und eine umgehende Klärung der Mordfälle verlangt hatte, war
ein Kindergeburtstag gegen das, was ihn zur besten Frühstückspausenzeit in
seinem Büro erwartete und ihm
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