Das Testament der Götter
ist und deren Sache er verteidigt. Wer hat dir befohlen, ihn zu besudeln?« Sababu hüllte sich in Schweigen. »Paser ist ein Richter«, fuhr Sethi fort, »der rechtschaffenste aller Richter. Laß davon ab, ihn zu verleumden; du bist mächtig genug, um unbehelligt zu bleiben.«
»Ich verspreche dir nichts.«
17. Kapitel
Seite an Seite am Ufer des Nils wohnten Paser und Sethi der Geburt des neuen Tages bei. Als Bezwingerin der Finsternis und der ungeheuerlichen Schlange, die danach getrachtet hatte, sie während ihrer Nachtreise zu vernichten, schoß die Sonne aus der Wüste empor, goß ihr Blut in den Fluß und ließ die Fische vor Freude springen. »Bist du ein ernsthafter Richter, Paser?«
»Wessen klagt man mich an?«
»Ein Gerichtsbeamter, der alles Schlüpfrige zu sehr schätzt, läuft Gefahr, einen verwirrten Geist zu haben.«
»Du warst es, der mich zu diesem Haus des Bieres verleitet hat. Während du herumtändeltest, dachte ich an meine Fälle.«
»Wohl eher an deine Vielgeliebte, oder?« Der Fluß glitzerte. Schon verblaßte das Blut der Morgenröte und überließ dem Gold der ersten Stunde allen Raum.
»Wie viele Male bist du in dieses Gewölbe der verbotenen Freuden gegangen?«
»Du hast getrunken, Sethi.«
»Du bist Sababu nie begegnet?«
»Niemals.«
»Dennoch war sie bereit, jedem, der es hören wollte, anzuvertrauen, daß du zur Schar ihrer besten Kunden gehörtest.«
Paser wurde bleich. Doch er dachte dabei weniger an seinen auf immer getrübten Ruf als Richter denn an die Meinung Neferets. »Man hat sie gedungen.«
»Ganz genau!«
»Wer?«
»Wir haben uns so schön geliebt, daß sie Zuneigung zu mir gewonnen hat. Sie hat mir von dem Ränkespiel berichtet, in das sie verwickelt ist, jedoch nicht von ihrem stillen Auftraggeber. Allerdings ist er leicht zu erkennen, meiner Ansicht nach; das sind die üblichen Vorgehensweisen des Vorstehers der Ordnungskräfte, Monthmose.«
»Ich werde mich verteidigen.«
»Unnötig. Ich habe sie überredet zu schweigen.«
»Machen wir uns nichts vor, Sethi. Bei der ersten Gelegenheit wird sie uns hintergehen, dich und mich.«
»Davon bin ich nicht überzeugt. Dieses Mädchen hat sittliches Empfinden.«
»Erlaube mir, daran zu zweifeln.«
»In gewissen Augenblicken lügt eine Frau nicht.«
»Ich will mich trotzdem mit ihr unterhalten.«
Kurz vor Mittag stellte Richter Paser sich an der Tür vom Haus des Bieres in Begleitung von Kem und dem Babuin ein. Entsetzt verbarg sich eine junge Nubierin unter Kissen; eine weniger ängstliche Liebesdienerin wagte es, dem Amtmann entgegenzutreten. »Ich möchte die Eigentümerin sprechen.«
»Ich stehe hier nur in Dienst, und …«
»Wo befindet sich Dame Sababu? Lügt nicht. Eine falsche Aussage wird Euch ins Gefängnis bringen.«
»Wenn ich es Euch gestehe, wird sie mich schlagen.«
»Wenn Ihr schweigt, werde ich Euch wegen Behinderung des Rechtsgangs anklagen.«
»Ich habe nichts Böses getan!«
»Ihr seid noch nicht angeklagt; sagt mir die Wahrheit.«
»Sie ist nach Theben aufgebrochen.«
»Wohin genau?«
»Das weiß ich nicht.«
»Wann wird sie zurückkehren?«
»Das ist mir nicht bekannt.«
Demnach hatte die Dirne es vorgezogen, zu fliehen und sich zu verbergen.
Von nun an würde der Richter beim geringsten falschen Schritt in Gefahr sein. Man ging im Dunkeln gegen ihn vor. Irgend jemand, wahrscheinlich Monthmose, hatte Sababu bezahlt, um ihn zu beschmutzen; falls sie sich der Drohung fügte, würde sie nicht zögern, ihn zu verunglimpfen. Der Richter verdankte sein vorläufiges Heil allein Sethis Betörungskünsten.
Bisweilen, fand Paser, war die Liederlichkeit nicht ganz und gar verdammenswert.
Nach reiflicher Überlegung hatte der Vorsteher der Ordnungskräfte eine folgenschwere Entscheidung getroffen: nämlich den Wesir Bagi um einen Empfang zu bitten. Fahrig hatte er seine Erklärung mehrere Male vor dem Kupferspiegel wiederholt, um den angemessenen Gesichtsausdruck zu finden. Wie jedermann wußte er um die Unerbittlichkeit des Ersten Pharaonischen Rates von Ägypten. Mit Worten geizend, verabscheute es Bagi, seine Zeit zu verlieren. Sein Amt nötigte ihn, jede Klage, woher sie auch kommen mochte, entgegenzunehmen, sofern sie nur begründet war; aufdringliche Störenfriede, Betrüger und Lügner bereuten ihren Schritt bitterlich. Dem Wesir gegenüber zählte jedes Wort, jede Geste. Monthmose begab sich gegen Ende des Morgens zum Palast. Um sieben Uhr hatte Bagi mit dem König
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