Das Testament der Götter
nicht zweifeln? Seine erste Pflicht ist es, von vornherein feststehende Wahrheiten nicht gelten zu lassen.«
»Selbstverständlich«, murmelte Monthmose. »Man beruft keinen Unfähigen nach Memphis; Paser fand gewiß wegen seiner hohen Werte Beachtung.«
»Die Stimmung einer großen Stadt, der Ehrgeiz, die Handhabung übermäßiger Vollmachten … Trägt dieser junge Mann nicht allzu schwere Verantwortungen?«
»Wir werden sehen«, beschied der Wesir. »Ist dies der Fall, werde ich ihn entheben. Einstweilen lassen wir ihn fortfahren. Ich baue auf Euch, ihm tüchtigen Beistand zu leisten.«
Bagi legte den Kopf zurück und schloß die Augen. Monthmose war davon überzeugt, daß er ihn durch die geschlossenen Augen beobachtete; er erhob sich, verneigte sich und ging hinaus, seinen Zorn seinen Dienern vorbehaltend.
Kräftig, ja vierschrötig, mit von der Sonne gebräunter Haut, fand sich Kani kurz nach Sonnenaufgang vor der Amtsstube Richter Pasers ein. Er ließ sich vor der verschlossenen Tür, neben Wind des Nordens, nieder. Einen Esel, den erträumte sich Kani seit langem. Er würde für ihn schwere Lasten tragen und somit seinen vom Gewicht all der Wasserkrüge verbrauchten Rücken schonen, welche er ausgegossen hatte, um den Garten feucht zu halten. Da Wind des Nordens seine Ohren weit aufsperrte, erzählte er ihm von seinen ewig gleichen Tagen, seiner Liebe zur Erde, der Sorgfalt, mit der er die Bewässerungsrinnen aushob, der Freude, die Pflanzen gedeihen zu sehen.
Seine Bekenntnisse wurden von Paser unterbrochen, der mit raschem Schritt nahte. »Kani … wünscht Ihr mich zu sehen?« Der Gärtner nickte. »Tretet ein.«
Kani zögerte. Das Amtszimmer des Richters erschreckte ihn, wie auch die Stadt überhaupt. Wenn er dem Lande fern war, fühlte er sich unbehaglich. Zuviel Lärm, zu viele ekelerregende Gerüche, zuviel versperrter Horizont. Hätte seine Zukunft nicht auf dem Spiel gestanden, er hätte sich niemals in Memphis’ Gäßchen hineingewagt. »Ich habe mich zehnmal verloren«, erklärte er. »Neuerliche Verdrießlichkeiten mit Qadasch?«
»Ja.«
»Wessen beschuldigt er Euch?«
»Ich will gehen, und er verwehrt es mir.«
»Gehen?«
»Dieses Jahr hat mein Garten dreimal soviel Gemüse als die festgesetzte Menge erbracht. Infolgedessen kann ich unabhängiger Arbeiter werden.«
»Das ist rechtmäßig.«
»Qadasch bestreitet das.«
»Beschreibt mir Euer Stück Land.«
Der Oberste Arzt empfing Neferet im schattigen Garten seines prachtvollen Herrenhauses. Unter einer blühenden Akazie sitzend, trank er kühlen und leichten rosenfarbenen Wein. Ein Diener fächelte ihm Luft zu.
»Schöne Neferet, wie glücklich bin ich, Euch zu sehen!«
Die junge Frau war recht schlicht gekleidet und trug eine kurzhaarige Perücke nach alter Sitte. »Ihr kommt heute sehr streng daher; trägt man ein solches Gewand überhaupt noch?«
»Ihr habt mich bei meiner Arbeit in der Forschungsstätte unterbrochen; ich würde gerne den Grund für Eure Einbesteilung erfahren.« Neb-Amun befahl seinem Diener, sich zu entfernen. Sich seiner gewinnenden Art gewiß und davon überzeugt, daß die Schönheit seines Heims Neferet bezaubern würde, hatte er beschlossen, ihr eine letzte Gelegenheit zu ihrem Glück zu bieten. »Ihr mögt mich nicht sonderlich.«
»Ich erwarte Eure Antwort.«
»Genießt diesen herrlichen Tag, diesen köstlichen Wein, diesen Ort der Seligkeit, an dem wir leben. Ihr seid schön und klug, begabter für die Heilkunst als unser Praktiker mit den meisten Titeln. Doch Ihr besitzt weder Vermögen noch Erfahrung; wenn ich Euch nicht helfe, werdet Ihr in einem Dorf Euer Leben fristen. Zu Anfang wird Eure sittliche Festigkeit Euch noch erlauben, die Prüfung zu meistern; mit der Reife werdet Ihr Eure vorgeschützte Reinheit bereuen. Eine Laufbahn baut sich nicht auf höchster Vollkommenheit auf, Neferet.« Mit verschränkten Armen betrachtete die junge Frau die Wasserfläche, auf der sich Enten zwischen Lotosblumen tummelten.
»Ihr werdet mich und meine Handlungsweise lieben lernen.«
»Euer Ehrgeiz berührt mich nicht.«
»Ihr seid würdig, die Gemahlin des Obersten Arztes des Hofes zu werden.«
»Ihr versteigt Euch.«
»Ich kenne die Frauen gut.«
»Seid Ihr Euch dessen so sicher?« Neb-Amuns berückendes Lächeln verkrampfte sich. »Solltet Ihr vergessen, daß ich Herr über Eure Zukunft bin?«
»Die liegt in den Händen der Götter, nicht in den Euren.«
Neb-Amun erhob sich mit ernstem
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