Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Testament der Jessie Lamb: Roman

Das Testament der Jessie Lamb: Roman

Titel: Das Testament der Jessie Lamb: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Rogers , Norbert Stöbe
Vom Netzwerk:
heute kam es mir vor wie ein Gefängnis. Ich öffnete die Nachttischschublade. Die Zigaretten lagen ganz oben.
    Als ich aus dem Zimmer trat, hörte ich ihre murmelnden Stimmen. Sie hatten die Tür geschlossen, wollten anscheinend nicht belauscht werden. Ich vermutete, dass sie über mich sprachen, deshalb schlich ich zur Tür und horchte.
    »Ich glaube, du bist verrückt geworden«, sagte Mandy.
    »Joe ist es egal, ob ich da bin oder nicht.«
    »Ist es nicht«, sagte Mandy. »Und das weißt du auch.«
    »Er redet mehr mit Jessie als mit mir.«
    »Dann findest du es also richtig …«
    »In diesem Fall ist niemand ohne Schuld.«
    »Also, wenn du bis über beide Ohren verliebt wärst …«
    »Es geht nicht ums Verliebtsein, es geht darum, sichtbar zu sein. Wenn er mich ansieht …«
    »Pst«, machte Mandy, deshalb drückte ich die Tür auf. Sie nahmen sich beide eine Fluppe und steckten sie an. Ich räumte den Tisch ab und stellte mir Mum mit einem anderen Mann vor. Dann merkte ich, dass sie Mandy ein wenig abgelenkt hatte, und dachte, das sei der Grund, weshalb sie es ihr gesagt habe. Mandy tat mir furchtbar leid, und es machte mich traurig, dass ihre Wohnung, die früher mein Lieblingsort gewesen war, sich in ein miefiges Gefängnis verwandelt hatte.
    Mum fuhr langsam nach Hause, denn sie hatte viel zu viel getrunken. Ich fragte sie, was aus Mandys Theatergruppe geworden sei.
    »Es kamen keine Buchungen mehr rein«, antwortete Mum. »Es würde ihr guttun, wenn sie an einem Projekt arbeiten könnte, aber im Moment denkt keiner an Kindertheater.«
    »Was ist mit ihren anderen Beschäftigungen?« Mum und Dad sagten Hobbys dazu. Mal machte sie bei einer Akrobatentruppe mit, dann wieder bei einem Frauenchor. Vorher hatte sie Gitarrenunterricht genommen und Italienisch gelernt. Sie hatte zur Hälfte einen indianischen Kochkurs absolviert. Nach ein paar Wochen begeisterte sie sich für etwas Neues. In dieser Hinsicht war sie eigentlich gar nicht so viel anders als Dad – früher entwickelte er ständig neue Interessen, las Bücher über alte Zivilisationen oder lernte Esperanto. Mum aber nahm ihn ernster. Sie glaubte, bei den Beschäftigungen des Quells aller Weisheit gehe es um Bildung, während sie Mandys Aktivitäten als Marotten abtat.
    »Sie hat alle Hobbys aufgegeben«, sagte Mum. »Hast du bemerkt, wie es in ihrer Küche aussieht?«
    Ich musste zugeben, dass sie sich in einem schlimmen Zustand befand.
    »Bei Mandy heißt es immer alles oder nichts. So war sie schon damals, als wir noch Kinder waren. Wenn es ihr gut geht, macht sie zwanzig Sachen auf einmal, aber wenn sie deprimiert ist …«
    »Aber wie soll sie glücklich sein, wenn sie kein Baby haben darf?«
    »Das ist eine gute Frage, Jess.«
    Ich wünschte, es gäbe darauf eine Antwort. Ich glaube, dies war das erste Mal, dass ich MTS wirklich ernst nahm.

5
    Zum nächsten Treffen brachte Iain sein Notebook mit und zeigte uns eine Menge Websites. Auf den Seiten ging es um Dinge, die wir in der Vorwoche angesprochen hatten – um den Klimawandel, Tierbefreiung, CO 2 -Reduzierung. »Okay«, sagte er. »Was wollen wir anders machen?«
    Nathan sagte: » MTS hat sich über die Flughäfen verbreitet. Wir müssen die Flugzeuge am Start hindern.« Alle lachten und schlugen immer drastischere Aktionen vor, aber Nat meinte es todernst. Er wirkte blass und angespannt, als bereite ihm das Sprechen große Mühe. »Wir müssen etwas tun , darum geht es. Das ist kein Spiel.«
    Baz nickte und trommelte mit den Fingern seitlich auf seinen Stuhl. »Alles, was schiefgelaufen ist, steht miteinander in Zusammenhang. Die Wissenschaftler glauben, sie könnten machen, was sie wollen, und an allem herumpfuschen.«
    »Wir sollten nicht mit den Erwachsenen zusammenleben müssen«, bemerkte Lisa. »Wir können für uns selbst sorgen.« Alle starrten sie an. »Wir sind doch nicht dumm. Weshalb sollten wir uns wie … wie Haustiere behandeln lassen? Von denen? Weshalb sollten wir uns von denen vorschreiben lassen, was wir zu tun und zu lassen haben?«
    Als die Leute begriffen, worauf sie hinauswollte, nickten sie.
    »Sie haben unsere Mütter getötet«, sagte Lisa. »Wir sollten das Recht haben, für uns selbst zu entscheiden, anstatt uns Vorschriften machen zu lassen. Sie haben kein Recht mehr dazu. Weil sie Missbrauch damit getrieben haben.«
    »Wo würdest du gern leben?«, fragte Ahmed.
    »Ist mir egal«, antwortete sie. »Wir könnten ein paar Häuser besetzen. Und Erwachsenen den

Weitere Kostenlose Bücher