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Das Testament der Jessie Lamb: Roman

Das Testament der Jessie Lamb: Roman

Titel: Das Testament der Jessie Lamb: Roman
Autoren: Jane Rogers , Norbert Stöbe
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Zutritt verbieten.«
    »Eine Art Spielhütte«, höhnte einer der Jungs, und die anderen lachten.
    Lisas Erwiderung erfolgte prompt. »Die Menschen sind die einzigen Tiere, die ihre Jungen achtzehn Jahre lang behüten! Schon Sechsjährige können für sich selbst sorgen. Warum lassen wir uns von ihnen einsperre n ?« Unwillkürlich dachte ich an ihren Dad. Es musste schrecklich für ihn gewesen sein, eine solche Tochter zu haben.
    »Wir besitzen mehr Verstand als die Erwachsenen«, meldete Gabe sich zu Wort. »Wir fangen keine Kriege an!«
    »Von den Tierbefreiern mal abgesehen«, bemerkte Lisa zu Nat. »Was ist mit der Kinderbefreiung? Wie wäre es, wenn wir denen mal sagen würden, wo’s langgeht? Wir müssen sämtliche Dummheiten ausbaden, die sie anstellen.«
    »Wir sind die Besten!«, rief Gabe, und alle lachten.
    Lisa ist ein Jahr jünger als ich, fürchtet sich aber vor niemandem. Sie hat langes, zotteliges braunes Haar, aus dem ein spitzes Gesicht hervorlugt, und wenn sie in Erregung gerät, röten sich ihre Wangen, und zwischen ihren Augen bildet sich eine tiefe Falte. Ihre Idee, dass Kinder für sich leben sollten, war die beste, die bei der Versammlung geäußert wurde. Man kommt sich ein bisschen überflüssig vor, wenn man sieht, wie viele Protestgruppen es schon gibt.
    »Aber jeder Einzelne kann etwas bewirken«, sagte Iain. Er erzählte uns von den Wäldern in China. Im zwanzigsten Jahrhundert habe es dort fast keine Bäume mehr gegeben, was eine fürchterliche Erosion zur Folge gehabt habe. Die Chinesen beschlossen daraufhin, dass jeder pro Jahr drei Bäume pflanzen müsse. Bislang wurden 45 Milliarden Bäume gepflanzt! Wo früher Wüste war, gedeihen jetzt Wälder. Auch wenn wir die Uhr nicht zurückdrehen und MTS nicht ausrotten könnten – wir könnten noch immer ein Zeichen setzen. Wir könnten zeigen, dass wir nicht so sind wie unsere Eltern, die nur darauf aus wären, möglichst viel von den Ressourcen der Erde zu verprassen. Wir könnten dafür sorgen, dass weniger Abfall entsteht. Wir könnten auf Flugreisen verzichten. Wir könnten in Gruppen zusammenleben, ohne uns von der Last der Erwachsenenwelt niederdrücken zu lassen. Und vielleicht, wenn sich uns genügend Menschen anschließen und versuchen würden, eine andere Lebensweise zu begründen, würden wir auch eine andere Antwort auf MTS finden. Eine Lösung, an die bisher noch niemand gedacht hat.
    Ich versuchte, das meinem Dad zu erklären, als er von mir wissen wollte, weshalb ich so begeistert zu den Treffen ginge. Da wir nicht wüssten, wie MTS entstanden sei, weshalb sollten wir dann glauben, die Seuche ließe sich nur mittels wissenschaftlicher Forschung beenden? Vielleicht wollte die Person oder das Wesen, das sie erschaffen hat, die Menschen ja dazu bringen, ihr Leben zu verändern?
    »Aber werden wir mit einem Heilmittel belohnt werden, wenn wir unsere Flaschen recyceln und aufs Autofahren verzichten? Reines Wunschdenken, mein nussbraunes Mädchen. Als Nächstes wirst du mir von der Macht des Gebets erzählen.«
    »Ich sage ja nicht, man soll die Forschung einstellen. Ich sage nur, wir sollten versuchen, weniger gierig zu sein.«
    »Dass die Forschung nicht eingestellt wird, will ich auch hoffen, sonst bin ich nämlich arbeitslos!«
    Ich sagte, er sei ein typischer Vertreter seiner Generation – zynisch, selbstzufrieden, allem gegenüber gleichgültig. Da grinste er und meinte, das sei wohl so, und er sei froh, dass ich politisch zu denken anfinge, denn es sei die Aufgabe der Jugend, die Welt zu verändern.
    Ob er sich jetzt noch daran erinnert?
    Anschließend fanden zwei Treffen pro Woche statt, und wann immer ich Zeit hatte, ging ich hin. Wir nannten uns YOFI – Youth For Independence, Jugend für Unabhängigkeit. Ein dämlicher Name, aber es dauerte zehn Stunden, bis wir uns darauf geeinigt hatten. Wir gaben uns eine Satzung (dank dir, Iain) und wählten die stille, vernünftige Mary zum Kassenwart. Wir waren ein offizieller Verein. New World London richtete im April eine Website ein, und darüber wurden auch andere Aktionen koordiniert. Wir nahmen an der Manchester-Demo teil, Ende Mai an einem wundervoll warmen Samstag. Zweitausend Kids im Piccadilly Park und jede Menge Presse und Fernsehen. Lisa war unsere Sprecherin. Bei dieser Gelegenheit lernte sie weitere mutterlose Kids kennen, die mit ihr und Gabe zusammenleben oder eigene Kinderzentren gründen wollten. Sie forderte eine finanzielle Entschädigung für Kids, deren
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