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Das Testament der Jessie Lamb: Roman

Das Testament der Jessie Lamb: Roman

Titel: Das Testament der Jessie Lamb: Roman
Autoren: Jane Rogers , Norbert Stöbe
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Mütter an MTS gestorben waren. Die Zeitungen waren von ihr angetan, und wir erhielten viel Zuspruch; unter anderem wurden uns zwei Gebäude angeboten, in denen man Kinderzentren einrichten könnte. Mary meinte, unser Bankkonto lege ordentlich zu.
    Mum und Dad billigten das Ganze weitgehend. Als ich nach Hause kam und ihnen von den chinesischen Baumpflanzungen erzählte (was meinem Vater, dem Quell aller Weisheit, natürlich schon bekannt war), sagte meine Mum doch tatsächlich: »Das sollten wir auch machen.« Und an einem Sonntag besuchten wir alle drei einen Gedenkgottesdienst in Old Trafford, und Mum und Dad spendeten Geld für den Frauen-Gedächtniswald. Diese Gedenkgottesdienste waren erstaunlich. Ich hatte sie schon im TV gesehen, aber inmitten einer so großen Men ge zu sein, zu singen und schweigend dazustehen – das war elektrisierend. Als wir mit dem Wagen nach Hause fuhren, erzählte Dad uns von einer koreanischen Religion, deren Anhänger glaubten, die Seelen der Frauen, die bei der Geburt starben, würden in Bäumen wohnen. Diese Vorstellung gefällt mir. Mir war es lieber, sie huschten durchs Laub, als dass sie in der dunklen Erde lagen.
    Nat und Baz wollten eine Kampagne gegen Wissenschaftler starten; deswegen geriet ich mit Baz aneinander. Wir gingen zu YOFI , und plötzlich sagte er: »Ich finde, wir sollten unsere Energien darauf konzentrieren, dass die Forschungslabors geschlossen werden.«
    »Warum?«
    »Weil MTS von dort kommt. Von Wissenschaftlern, die an immer komplizierteren, schrecklichen Dingen forschen, die niemand braucht.«
    »Sie entwickeln Heilmittel für Krankheiten!«
    »Einige schon. Die meisten aber untersuchen Mikroben und subatomares Zeug oder genetische Mutationen. Allein um der Erkenntnis willen wollen sie alles kontrollieren.«
    »Sein Wissen zu erweitern ist eine gute Sache.«
    »Glaubst du das wirklich? Gilt das auch für die Atomspaltung? Einstein hat gesagt, wenn er gewusst hätte, was man damit anfangen würde, wäre er Schuster geworden.« Baz trommelte im Vorbeigehen ein triumphierendes kleines Ta-da! auf einen Briefkasten und grinste mich an. Ich mochte es, wenn er grinste.
    »Was ist mit dem Penicillin?«
    »Du bist nur wegen deinem Dad für die Wissenschaftler. Aber selbst wenn man von den Waffen absieht, aus welchem Grund sollte man ständig neue Diätpillen und Beruhigungsmittel entwickeln? MTS ist nur deshalb ausgebrochen, weil sie glauben, sie wären Gott. Und deshalb gehören Wissenschaftler hinter Gitter.«
    »Ist das wirklich deine Meinung?«
    »Weshalb sollten sie ungestraft alles zugrunde richten dürfen?«
    Ich sagte das nicht wegen meines Dads. Er arbeitete in einer Klinik für künstliche Befruchtung, in dem Labor, in dem die Embryos entstanden. Nach dem Tod aller Schwangeren wurden dort weiterhin Embryos für die MTS -Forschung gezeugt. Mein Dad glaubte, je mehr die Wissenschaftler herausfänden, desto besser. Aber jetzt will er nicht, dass ich danach handele. Er findet es richtig, seine Zustimmung zu etwas zu bekunden, scheut aber die Konsequenzen.
    Ich komme immer wieder auf diese Engstirnigkeit zurück, in der Mum und Dad leben und die sich anfühlt, als würde man auf Kaugummi treten. Sie behaupten, an etwas zu glauben, handeln aber nicht danach. Gegen alles gibt es irgendwelche Einwände. Dabei fühle ich mich, als würde ich ersticken. Wenn man nichts tun kann, wozu lebt man dann?
    Baz brachte seinen Vorschlag beim nächsten Treffen ein, und er wurde angenommen; eines unserer Ziele würde darin bestehen, aller sinnlosen wissenschaftlichen Forschung ein Ende zu machen. Und da die Arbeit meines Dads nicht sinnlos war, ging das in Ordnung. Außerdem setzten wir unseren Plan zur CO 2 -Selbstrationierung in Kraft, und alle versprachen, ihre persönliche Quote einzuhalten, auch zu Hause, was bedeutete, dass wir unsere Eltern bekehren mussten. Mum und Dad meinten, ja, sicher, du darfst Gemüse im Garten anpflanzen, ja, wir hören auf, ständig in den Supermarkt zu fahren, wenn du dir die Zeit nimmst, auf dem Markt einzukaufen. Erst bürdeten sie mir die Last auf, dann nörgelten sie herum, wenn sie den Eindruck hatten, ich hätte die Hausarbeit vernachlässigt. Ich büffelte für die Abschlussprüfung und war ständig unter Zeitdruck. Als ich eines Abends von einem Treffen nach Hause kam, saßen Mum und Dad vor dem Computer und buchten einen Urlaub. Die Menschheit ist von der Auslöschung bedroht, und meine Eltern vergleichen die Internetpreise für
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