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Das Testament der Jessie Lamb: Roman

Das Testament der Jessie Lamb: Roman

Titel: Das Testament der Jessie Lamb: Roman
Autoren: Jane Rogers , Norbert Stöbe
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einen Sommerurlaub in Spanien. Mum fragte mich, was mir lieber wäre, ein Strandhotel oder ein Haus mit Pool in den Hügeln. Sie meinte, wir würden Mandy mitnehmen, dann hätte sie etwas, worauf sie sich freuen könne. Ich starrte sie an, bis sie rot wurde.
    »Was erwartest du von uns?«, sagte sie. »Wir müssen unser Leben weiterleben.«
    »Warum?«, entgegnete ich sarkastisch, in dem Tonfall, den sie nicht ausstehen kann, und mein Dad sagte warnend: »Jessie …« Daraufhin ging ich auf mein Zimmer und schlug die Tür zu. Sie glaubten, damit wäre das Thema erledigt. Ein Flugzeug voller Menschen wie sie, die das alle für in Ordnung hielten, würde tonnenweise fossilen Treibstoff verbrennen und CO 2 in die Atmosphäre freisetzen, damit sie an einem spanischen Hotelpool herumliegen und sich Hautkrebs holen konnten. Als sie mich zum Tee riefen, blieb ich oben, und als mein Dad an die Tür klopfte, schrie ich, er solle mich in Ruhe lassen.
    Ich legte mich ins Bett und dachte an die Urlaube von früher . Wir fuhren nach Scarborough und wohnten in Oma Bessies Wohnwagen. Es gefiel mir, in einem Bett zu schlafen, das Ähnlichkeit mit einem Regalfach hatte, während der Wind den Wohnwagen schaukelte, und beim Aufwachen den Sonnenschein zu sehen, der durchs Dachfenster hereinströmte; die Eingangsstufen hinunterzusteigen und zu den Duschen zu gehen, wo man sich einen Weg durch die Schnecken suchen musste, die nachts hineinkrochen; mit Dad zusammen goldfarbene Sandburgen zu bauen. Sand in den Schuhen, in der Hose, im Bett; Sand in den Sandwiches. Mum und Dad lachten und spritzten sich gegenseitig nass. Warum machten wir nicht Urlaub wie damals?
    Oder warum nicht den Sommer zu Hause verbringen? Früher hatten wir im Moor, oberhalb von Dovestones, Picknick gemacht. Wir nannten es das Eisvogeltal. Die Farnwedel überragten mich, und wir spielten stundenlang Verstecken, bis die Luft erfüllt war vom grünen Duft des zerdrückten Farns. Dad sah einen Eisvogel, er meinte, er sei elektrisch, der blaueste Vogel im ganzen Land, prächtiger als ein Pfau. Wir machten keinen Mucks und beobachteten ihn. Damals waren wir glücklich, wir alle drei. Jetzt machten die beiden Front gegen mich. Ihre Lebensweise widerte mich an.
    Später klopfte Dad noch einmal an meine Tür. Er hatte ein getoastetes Rosinenbrötchen dabei. Ich ließ ihn rein, und er setzte sich aufs Fußende des Betts. »Ich habe heute eine gute Neuigkeit erfahren.«
    »Ging’s darum, wie man auf den Planeten einprügeln kann?«
    »Eigentlich nicht. Eher darum, dass man MTS überleben kann.«
    »Dass es sich überhaupt ausgebreitet hat, liegt an Leuten wie euch.«
    »Wie meinst du das?«
    »Das Virus wurde auf Flughäfen freigesetzt. Wenn niemand mehr fliegen würde …«
    »Das wäre keine Lösung. Wünschst du dir etwa das Mittelalter zurück?«
    »Ja. Stell dir mal vor, was zu Zeiten der Beulenpest passiert wäre, wenn alle in der Weltgeschichte herumgedüst wären, anstatt in ihrem Heimatdorf zu bleiben. Wahrscheinlich wäre die Menschheit damals ausgestorben.«
    Er lachte, und ich meinte, er solle aus meinem Zimmer verschwinden, doch dann sagte er: »Im Ernst, Jess, es heißt, im nächsten Jahr könnten wieder ein paar Babys geboren werden.«
    »Was soll das heißen? Gibt es jetzt ein Top-Secret-Heilmittel, von dem nur die Wissenschaftler wissen?«
    »Nein. Aber es gibt in unserer Klinik – und in anderen Kliniken und Krankenhäusern in aller Welt – einige Patientinnen, die möglicherweise, nur vielleicht, lebende Babys zur Welt bringen könnten.«
    »Und wie soll das gehen, wenn sie während der Schwangerschaft sterben?«
    »Sie haben eingewilligt, frühzeitig Medikamente zu nehmen, die die MTS -Symptome lindern und … und sie in Schlaf versetzen, damit die Babys überleben können.«
    »Was soll das heißen, sie in Schlaf versetze n ?«
    »Also, es handelt sich um ein künstliches Koma. Man nennt sie Schlafende Schöne.«
    »Können sie wieder aufwachen?«
    »Nein. Das Muttertod-Syndrom zerstört im Verlauf der Schwangerschaft das Gehirn. Aber möglicherweise überlebt das Kind.«
    »Eine tote Mutter kann ein lebendes Kind zur Welt bringen?«
    »Wenn die Schwangerschaft sich dem Ende nähert, holen die Ärzte das Kind mittels Kaiserschnitt heraus.«
    »Und das Baby steckt sich nicht an?«
    »Die Krankheit befällt die Mutter, nicht das Kind. Das Kind kann sich trotzdem vom Körper der Mutter ernähren.«
    »Das klingt gruselig. Die Mütter dieser Kinder wären
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