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Das Testament der Jessie Lamb: Roman

Das Testament der Jessie Lamb: Roman

Titel: Das Testament der Jessie Lamb: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Rogers , Norbert Stöbe
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entgegen, der auf der Toilette gewesen war. Der Große, der Torhüter, Gerrard. »Komm schon, Süße«, sagte er und packte sie beim Arm. »Hast du nicht auch Lust auf ein bisschen Action?« Er zerrte sie wieder nach unten ins Wohnzimmer und riss ihr den Rock herunter. Sie ohrfeigte ihn, doch er warf sie auf den Boden, und als sie sich aufrichten wollte, kniete sich einer auf ihre Beine, ein anderer drückte ihr die Arme nieder. Das Handy steckte in ihrer Jackentasche – dabei musste es sich eingeschaltet haben. Damien rief etwas, und die anderen meinten, sie wollten doch nur ein bisschen Spaß haben.
    »Sie sagten so Sachen«, erzählte sie. »Dass sie schon lange keine Muschi mehr gehabt hätten. Jetzt haben sie ja alle nur noch diese Krankheit im Kopf , meinten sie. Sie stachelten sich gegenseitig an und meinten, das sei heute mein Glückstag.«
    Sie wehrte sich nach Kräften und bekam mit, dass auch Damien mit jemandem rangelte, dann legte sich jemand anders auf sie drauf, und ein paar zogen anscheinend ab. Sie hörte, wie die Haustür zuschlug, und Damien war auch nicht mehr da. Ihr Handy klingelte (das muss ich gewesen sein), dann riefen sie dem Letzten zu, er solle sich beeilen, und schimpften sie ein Stück Dreck und Schlampe, und dann stürzten auf einmal alle nach draußen, und sie blieb in dem ganzen Durcheinander allein zurück. Sie wollte gerade baden, als ich wieder anrief.
    »Damien ist nicht wieder aufgetaucht?«
    »Nein.«
    »Vielleicht ist er zur Polizei gegangen.«
    »Das glaube ich nicht.«
    »Soll ich meinen Dad anrufen? Er kann uns zum Krankenhaus bringen.«
    »Mir fehlt nichts.«
    »Aber Sal …«
    »Was? Was würde es nützen? Meine Mum würde sich nur unnötig aufregen. Vergiss es.«
    Wir saßen lange schweigend im Bett, dann wurde ich so müde, dass ich mich neben sie legte und einschlief. Als ich erwachte, war es fast fünf Uhr morgens, und sie starrte immer noch ins Leere. »Du darfst niemandem davon erzählen«, sagte sie. »Versprich mir das.«
    »Versprochen.« Ich wusste nicht, was ich sonst hätte sagen sollen. Es war ihre Entscheidung. Ich bot ihr an, beim Aufräumen zu helfen, und sie nahm noch ein Bad, dann brachten wir den Müll raus und machten sauber, bis alle Spuren beseitigt waren. Der arme Sammy hatte sich in eine Ecke verdrückt, mit angelegten Ohren und eingezogenem Schwanz. Ich machte Sal Kakao. Sie war blass und schweigsam, wirkte ansonsten aber ganz okay. Sie meinte, sie hasse Männer und wolle den Vorfall vergessen, und ich ließ sie allein. Sammy lag neben ihr auf dem Sofa, sein Kopf ruhte auf ihrem Knie.
    Zu Hause schlich ich mich auf mein Zimmer und legte mich ins Bett. Um sieben weckte mich Dad. Ich tat so, als wollte ich zum College. Sal machte nicht auf, deshalb rief ich sie von der Haustür aus an, und sie meinte, ihre Mum werde gegen Mittag aus Birmingham zurückkommen. Sie wolle allein sein. Als ich wegging, rief ich Baz an. Es war mir egal, was er über mich und Iain dachte. Ich wollte ihn sehen.
    »Alles okay bei dir?«
    »Kann ich vorbeikommen?«
    »Mein Dad ist hier«, sagte er. Und nach kurzer Pause: »Ist gut.«
    Ich ging zu ihm. Ich war benommen, alles lief mit der falschen Geschwindigkeit ab. Er ließ mich rein, und im Vorderzimmer saß sein Dad und starrte an die Wand. Er hatte sich einen schmutzig grauen Bart wachsen lassen. Ich sagte Hallo, doch er reagierte nicht. Baz ging mit mir auf sein Zimmer.
    »Was ist los?«, fragte er. »Was ist passiert?«
    Er musste mir versprechen, niemandem etwas zu erzählen, dann berichtete ich ihm, was geschehen war. »Glaubst du, ich sollte zur Polizei gehen?«
    »Tu das nicht, wenn sie es nicht möchte. Was sollte das bringen?«
    Es tat mir gut, das aus seinem Mund zu hören. Baz sagte, ich solle mich in sein Bett legen und eine Runde pennen. Er schaute mich an, als ich mich zudeckte. Dann setzte er sich ans Klavier und begann zu spielen, eine leise, komplizierte, fließende Melodie, die in Wellen durch meinen Kopf ging. Nach einer Weile schlug ich die Augen auf und schaute ihm zu, wie er zusammengesunken vor den Tasten saß, die Arme ausgebreitet und angespannt, mit den Fingern die Tasten streichelnd, um ihnen die Töne zu entlocken. Die Musik war so klar und rein. Dann schlief ich tatsächlich ein. Als ich erwachte, war es Nachmittag, und Baz war nicht da. Ich zog die Schuhe an und ging nach oben. Sein Dad saß noch immer im Bademantel da und blickte mich finster an. Ich fürchtete, er könnte mich anbrüllen.

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