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Das Testament des Satans

Das Testament des Satans

Titel: Das Testament des Satans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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Boden.
    Ich lasse meinen Blick über die Reihen der Betenden schweifen. Einundzwanzig Fratres. Drei fehlen. Conan. Raymond. Und wer noch? Ich schreite die Reihen im Hauptschiff ab. Jourdain. Padric. Robin. Lucien. Guillaume. Aimery. Piccolet. Thierry. Yves. Brioc. Loïc. Auf der anderen Seite, im Querschiff: Yvain. Corentin. Und … ein leerer Platz.
    Ich wende mich an den Prior. »Père Yvain?«
    Er stemmt sich hoch und blickt zu mir auf.
    Ich deute auf den Platz neben ihm. »Habt Ihr dem Frater einen Dispens erteilt?«
    Yvain sieht sich verwirrt um. Offenbar ist ihm noch nicht aufgefallen, dass der nicht zu den Laudes erschienen ist. »Nein.«
    »Wann und wo habt Ihr ihn zuletzt gesehen?«
    »In der Krypta. Als wir Raymond fanden.«
    »Vor einer Stunde also.«
    Yvain ist bleich wie Kerzenwachs, als er sich erhebt und sein Gewand glatt streicht. »Mon Dieu! Ihr glaubt, dass er …?«
    »Wir müssen ihn suchen.«
    Mit zitternden Händen bekreuzigt er sich. »Der Erzengel steh uns bei!« Den Blick zu Corentin, der ebenfalls aufsteht, meidet er geflissentlich. Yvain hat Todesangst.
    »Der Gottesdienst in Gegenwart des Fürsten der Engel muss warten, bis wir unseren Bruder in Christo gefunden haben.«
    Yvain nickt schwach. Schweiß rinnt ihm über die Stirn, und seine Augen sind weit aufgerissen, als er mit bebender Stimme die Suche organisiert: »Immer zu dritt oder zu viert. Niemand geht allein. Père Yann, Frère Aimery, Frère Robin, Frère Padric, Frère Jourdain und ich selbst führen die Suchtrupps an: Merveille, Abtresidenz, Wehrtürme, Kirche und Krypten, Beinhaus, jede finstere Nische. Los geht’s!«

Alessandra
Kapitel 61
    Am südlichen Seitenportal der Abteikirche
Fünf Uhr morgens
    Fluchend lehne ich mich gegen das Seitenportal, durch das ich eben hereingekommen bin. Vor dem Stundengebet wollte ich mit Yannic über das Testament des Satans reden. Ich weiß jetzt, wo es ist.
    Was nun? Ein rascher Blick durchs Seitenschiff: Die Treppe zur Krypta Notre-Dame-sous-Terre ist nur wenige Schritte entfernt. Also los!
    Während sich die Fratres im Altarraum zu Suchtrupps formieren, hetze ich in geduckter Haltung durch die Schatten hinter den Säulen des Hauptschiffs und haste so schnell, dass ich beinahe ausrutsche und stürze, die Treppe hinunter. Unten bleibe ich stehen und lausche. Sie kommen!
    Los, weiter! Aber wohin? Ich sehe mich um. In die Totenkapelle und weiter ins Beinhaus? Oder in die Säle der Merveille auf der anderen Seite?
    Vier oder fünf Mönche keuchen zu mir herunter.
    Panisch werfe ich mich herum.

Yannic
Kapitel 62
    Vor der Treppe zur Krypta Notre-Dame-sous-Terre
Kurz nach fünf Uhr morgens
    »Waren da nicht Schritte?«, fragt Lucien, der am Ende der Treppe neben mir stehen bleibt und die Stufen zum Promenoir hochspäht.
    »Hab nichts gehört.«
    Er zuckt die Schultern. »Wo lang?«
    »Wir teilen uns auf. Frère Loïc, Frère Brioc, ins Offiziliat von Abt de Torigni. Wir treffen uns in fünf Minuten. Im Promenoir.«
    Die zweistimmige Antwort: »Ja, Pater Subprior.«
    »Lucien, du kommst mit mir.«
    Während die Mönche in den Räumen gegenüber der Treppengalerie verschwinden, folgt mir Lucien hinauf zur Krypta Notre-Dame-sous-Terre. Ein Herbstnebel über der Bucht ist nichts gegen die dichten Weihrauchschwaden, die uns umwabern – das Gewoge kann es nur noch mit einer Missa solemnis mit Lucien an meiner Seite aufnehmen.
    »Guck mal, Yannic: Das Portal ist nur angelehnt.«
    Sieh mal einer an! Notre-Dame-sous-Terre gilt in dieser Abtei als das Herz der Hölle. Das Tor zur Krypta ist immer verschlossen. Und davor schmurgelt immer Weihrauch, um den Satan fernzuhalten.
    Ein schreckliches Gefühl von Ohnmacht überkommt mich. Ich fühle mich den Ereignissen, die Corentin heraufbeschworen hat, hilflos ausgeliefert. Ich bin gezwungen zu handeln. Ich muss die scheinbar unabwendbare Progression des Todes aufhalten, die Siegel für Siegel auf die Apokalypse zusteuert. Aber was soll ich denn tun? Ohne Alessandra kann ich es nicht schaffen.
    »Komm!« Ich stoße das Portal auf und spähe in die Krypta. Eine Kerze auf dem Abhang einer Geröllhalde beleuchtet die Szenerie, die aus einem Horrortraum zu stammen scheint: eine Kapelle, die mit Schutt gefüllt ist. Nur zwischen den Pfeilern, die das Gewölbe der Krypta tragen, hat sich das Geröll gefestigt, sodass ein Pfad entstanden ist.
    Ich erkenne ein Gewirr von Abdrücken, die in das Herz der Finsternis führen.
    Lucien hat die Augen weit aufgerissen,

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