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Das Testament des Satans

Das Testament des Satans

Titel: Das Testament des Satans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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Stock sind hell erleuchtet. Wieder hämmere ich gegen die Tür. »Gott im Himmel! Öffnet endlich!«
    Eine Minute.
    Dann noch eine.
    Ein Knarren der hölzernen Stiege im Inneren des Hauses. Ein Hund beginnt aufgeregt zu kläffen und kann sich gar nicht mehr beruhigen. Einer der Wachhunde der Garnison?
    Der Regen klatscht auf mich herunter. Obwohl ich von der überstürzten Flucht erhitzt bin, beginne ich in der nassen Kleidung erbärmlich zu frieren. Ich beiße die Zähne aufeinander, damit sie nicht klappern.
    Ein Riegel wird zurückgeschoben, ein Schlüssel quietscht im Schloss, die Tür wird einen Spaltbreit aufgeschoben. Das Kläffen wird lauter – der Hund ist im Haus.
    Ein altes, nicht nur vom Schlaf zerknittertes Gesicht taucht auf im matten Schein einer Kerze. Spitzenhäubchen. Schwarzes Kleid. Weiße Schürze. Die Haushälterin.
    »Bonjour. Ich bin Alessandra Colonna. Ich muss sofort mit dem Bailli sprechen.«
    Ein misstrauisch abschätzender Blick: wirres Haar, das sich aus einem geflochtenen Zopf gelöst hat und bis in die verkniffenen Augen hängt? Tropfnasse, blutverschmierte Kleidung: Hemd, Hosen und Stiefel? »Alessandra Colonna?« Der Tonfall ist ein Schlag ins Gesicht.
    Ganz ruhig, Sandra! König Charles war bei unserem ersten Treffen genauso affektiert. Mit Frauen in Hemd und Hosen, wie Jeanne d’Arc, hat Seine Majestät so seine Erfahrungen gemacht. Aber am Ende war er ganz charmant und hat mich artig nach Amboise und Blois eingeladen.
    »Ich habe gestern mit dem Seigneur gesprochen«, erinnere ich die Alte. »Contessa Alessandra Colonna, Vikarin Seiner Heiligkeit des Papstes.«
    Keine Reaktion.
    »Ein Kleid aus schimmerndem Atlas mit weißem Pelzbesatz, aufgestecktes dunkles Haar mit Perlenschmuck, ein Siegelring mit dem Hoheitszeichen der Colonna.« Ich zeige ihr den Ring. »Du hast mir warmen Pflaumenkuchen mit Schlagsahne und mit Nelken und Zimt gewürzten Glühwein serviert.«
    »Der Seigneur ist nicht da.«
    Auch das noch! »Wo ist er?«
    »Auf dem Festland.«
    »Seit wann?«
    »Gestern Morgen, nachdem Ihr in die Abtei hinaufgestiegen wart. Der Seigneur hat Euer Pferd in die Prieuré de Genêts mitgenommen. Er will sich dort mit dem Bischof treffen.«
    Kein Bailli, kein Pferd, keine Möglichkeit zur Flucht.
    »Wann kommt er zurück?«
    »Nach der Sturmflut«, lautet die patzige Antwort.
    »Kann ich eintreten und im Haus auf ihn warten?«
    »Nein.«
    Bevor mir die Tür vor der Nase zugeschlagen wird, schiebe ich den Fuß in den Spalt: »Lass mich rein!«
    »Nehmt den Fuß aus der Tür!«, faucht sie mich an. »Wartet in der Abtei auf den Seigneur!«
    Das darf doch nicht wahr sein!
    »Was ist geschehen?«
    »Das fragt Ihr noch?« Vergeblich versucht sie, die Tür zuzuschieben, doch mein Fuß steckt zwischen Tür und Rahmen. »Erst kommt Ihr unangekündigt auf den Mont, ohne bewaffnete Eskorte und ohne englisches Geleitschreiben. Dann tritt mitten in der Nacht dieser verdammte Engländer die Tür ein und fragt nach Euch …«
    »Er war Schotte.«
    »Was?«
    »Sir Eoghan Walleys. Er war Schotte.«
    »Mir doch egal! Nehmt den Fuß aus der Tür!«
    Ich geb’s auf. Sie wird mir nicht helfen. Ich muss weiter.
    Krachend fällt die Tür ins Schloss, der Riegel rumpelt, das Schloss quietscht.
    Wohin soll ich?
    Kurz nach sechs. Nicht mehr Nacht, aber noch nicht Tag. Im Osten schimmert immer wieder die Ahnung eines Silberstreifens am Horizont auf und verschwindet wieder hinter den schwarzen Sturmwolken. Die Sonne geht um sieben auf. Die Montois werden in einer Stunde in die Abteikirche strömen, um mit den Mönchen die Prim zu feiern – heute ist das Fest von Saint-Michel. Ausnahmezustand.
    Ich lausche. Unten an der Porte du Roy kann ich die Wachen hören. Bis auf den böigen Wind, der durch die Grande Rue fegt, ist alles ruhig. Ich fühle eine unbestimmte Erleichterung: keine Spur von meinen Verfolgern. Sind sie in die Abtei zurückgekehrt?
    Egal, weiter! Am Ende der Straße, vor dem bewachten Stadttor, klammert sich das Maison de l’Arcade auf einen Mauervorsprung der Bastion. In dem windschiefen Fachwerkhaus, das nur ein Wehrturm aus Granit am Zusammenbrechen zu hindern scheint, ist ein Teil der Bogenschützen der Garnison des Seigneur d’Estouteville untergebracht – da brauche ich mich ohne die Geleitschreiben von Louis oder Guillaume und ohne Rückendeckung durch Raoul de Beauvoir nicht blicken zu lassen. In Abwesenheit des Bailli ist der Prior der Kommandant der Festung. Nicht gut, gar nicht

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