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Das Testament des Satans

Das Testament des Satans

Titel: Das Testament des Satans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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spähe über seine Schulter und sehe, dass vor uns ein Erdrutsch niederrauscht und eine Lawine von Steinen mitreißt.
    Yannic blickt nach oben. »O nein!« Er wirbelt herum und stößt mich zurück.
    Entsetzt beobachte ich, wie hoch über uns eine vom Wind entwurzelte Eiche den Halt verliert und uns entgegenstürzt. Mit einem Krachen prallt sie vor uns auf den Weg. Wir reißen die Arme vors Gesicht, weil abgerissene Blätter und Zweige auf uns einprasseln.
    Der Sturm und der Regen werden immer heftiger. Dachschindeln wirbeln durch die Luft, gefolgt von einem zertrümmerten Schild der Pilgerherberge mit dem aufgemalten Michelot. Die Flut steigt unaufhörlich. Der am tiefsten gelegene Teil der Grande Rue direkt hinter den befestigten Toren steht schon knietief unter Wasser. Dabei müsste in einer Stunde Ebbe sein, und das Watt rings um den Mont müsste trocken fallen.
    Yannic hilft mir, über den Baum zu klettern, und prüft den Verband, den er mir vorhin angelegt hat. Der Regen hat das Blut aus dem Stofffetzen gewaschen, den Yannic aus seinem Habit gerissen hat. »Wie fühlst du dich?«
    »So wie du. Mir ist kalt. Ich bin nass bis auf die Knochen. Und ich suche verzweifelt nach einer Stelle an meinem Körper, die nicht wehtut.«
    Sanft streicht er mir das wirre Haar aus der Stirn und küsst mich zärtlich.
    Dann streichele ich ihm über das Gesicht. »Du denkst an Robin, nicht wahr?«
    Er atmet tief durch und nickt. »Lucien kümmert sich um ihn. Und um alles andere … Padric …« Traurig senkt er den Blick. »Lucien wird den anderen erklären, was geschehen ist. Soweit er verstanden hat, was ich ihm in der Kapelle zugeflüstert habe.«
    Ich nehme seine Hand. »Komm jetzt.«
    Die im Sturm wogenden Eichen als Deckung nutzend schleichen wir uns weiter an die Mole heran. Als wir aus dem Windschatten des Mont treten, müssen wir gegen den dröhnenden Wind ankämpfen.
    »Um Gottes willen!« Ich stöhne auf, als ein gewaltiger Brecher mit Donnergetöse über die Mole hinwegbrandet.
    Im Nordwesten ist der Himmel so schwarz wie das aufgepeitschte Meer. Hohe, gischtige Wogen, wo der Horizont sein sollte. Schleierartig aufspritzende und vom Sturm mitgerissene Gischt. Möwen schweben mit ausgebreiteten Flügeln fast unbeweglich im Sturmwind.
    Der nächste Brecher, höher noch als der letzte, scheint die Mole in ihren Grundfesten zu erschüttern. Das Wasser schießt über die Granitquader, wirft sich uns zischend entgegen, umspült unsere Beine und reißt uns beinahe um. Irgendetwas trifft mich schmerzhaft am Knie. Dann ist es wieder fortgespült, zurück ins Meer.
    War es ein Teil eines Bootes? Offenbar ist die Leine gerissen, mit der es an der Mole festgemacht war, und der Sturm hat es auf den Felsen geworfen. Zerborstene Planken und ein abgerissenes Ruder treiben auf den Wellen. Ich kann von Glück reden, dass mich keine Planke mit voller Wucht erwischt hat.
    Erneut prallt eine Woge gegen die Mole, schießt wie ein Geysir senkrecht in die Höhe und verweht in einem Sturzregen aus feiner Gischt, der auf uns niedergeht. Wasser wirbelt um unsere Beine. Yannic legt seinen Arm um mich und hält mich fest. »Sei vorsichtig!«, brüllt er gegen den Sturm an, während er mich über die Mole führt. »Du kannst nicht sehen, was sich unter der Wasseroberfläche befindet!«
    Ich deute hinüber zu seinem Boot, das auf den Wogen krängt und sich jeden Moment von der Kette loszureißen scheint. »Wie kommen wir da rüber?«, schreie ich und blinzele gegen den Regen an, der mir ins Gesicht schlägt.
    Seine Antwort kann ich nicht mehr hören. Eine Welle trifft mich von der Seite und reißt mich von den Füßen. Ich entgleite seinem Griff und werde über die Granitfelsen der Mole hinweg ins Meer geschleudert. Vor Schreck schreiend schlucke ich Wasser. Die Strömung packt mich und wirft mich wie ein Stück Treibholz gegen den Felsenstrand. Neben dem gestrandeten Boot pralle ich auf und werde, bevor ich mich irgendwo festhalten kann, wieder zurück ins tiefere Wasser gerissen. Donnernd schlagen die Wellen über mir zusammen. Ich muss husten, weil mir das Meerwasser in Mund und Nase gedrungen ist. Dann bin ich plötzlich wieder an der Wasseroberfläche und kann atmen.
    »Saaandraaa!«, ruft Yannic, der sich auf der Mole festklammert, um nicht auch ins Meer gespült zu werden. Durch den Regenschleier kann ich ihn nur undeutlich erkennen. Hat er das Testament des Satans noch auf dem Rücken?
    Ich hebe den Arm aus dem Wasser und winke, um ihm zu

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