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Das Testament des Satans

Das Testament des Satans

Titel: Das Testament des Satans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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die Arme und zieht mich ächzend an Bord.
    Das Boot wird von den Wogen emporgewirbelt, bevor es mit einem Krachen erneut gegen die Pier geschleudert wird. Es wird Zeit, dass wir hier wegkommen. Auf den glitschigen Planken ausgleitend schlittere ich zum Mast, um das Schwert des Satans daran festzubinden und das Segel zu setzen.
    Währenddessen rufe ich Alessandra zu: »Setz dich vorn in den Bug! Da liegen Korkbündel, die kannst du dir wie eine Weste umschnallen. Und such dir ein Seil, um dich am Mast festzubinden.«
    Ich fingere an den nassen Knoten herum, um das Segel zu setzen.
    »Noch ein ermunterndes Wort, bevor wir aufbrechen?«
    »Wenn du die Fische fütterst, tu’s nicht gegen den Wind.«
    Sie schnauft. »Kann ich dir noch irgendwie helfen, bevor ich über der Bootskante hänge und kotze?«
    »Hol die Kette ein, roll sie zusammen und verstau sie im Bug. Wir müssen uns beeilen. In einer Stunde ist der Kenterpunkt zwischen Ebbe und …«
    »Der was?«
    »Den Zeitpunkt der Strömungsumkehr zwischen auflaufendem und ablaufendem Wasser nennt man den Kenterpunkt der Tide. In einer Stunde ist Low Tide – Niedrigwasser. Auch wenn’s nicht danach aussieht. Danach strömt das Wasser wieder in die Bucht.«
    »Du meinst: Es wird noch schlimmer?«
    Ich nicke ernst. »In der nächsten Stunde werden wir die Strömung des ablaufenden Wassers nutzen.«
    »Gut.« Sie taumelt gegen mich und hält sich am Mast fest, als das Boot erneut emporgewirbelt wird und dabei stark zu krängen beginnt.
    »Aber wir müssen gegen den Wind kreuzen, der uns aus Nordwest entgegenweht. Daher, wo wir hinwollen.«
    »Nicht gut.«
    »Gar nicht gut.«
    »Und wo genau ist, wo wir hinwollen?«
    An den Furcht erregend knarrenden Mast gelehnt bilde ich mit meinen Armen eine Art imaginärer Karte. Meinen angewinkelten linken Arm, den ich an einem Seil eingehakt habe, halte ich quer vor meine Brust. »Im Süden liegt die bretonische Küste.« Im rechten Winkel dazu halte ich meinen rechten Arm nach oben. »Im Osten liegt die normannische Küste. Die Halbinsel Cotentin.« Ich deute mit dem Zeigefinger auf meinen rechten Ellbogen. »Avranches.« Und ein bisschen höher. »Genêts.«
    Sie nickt.
    Ich richte meinen linken Arm auf, sodass meine Fingerspitzen auf die Hand des anderen weisen und eine Diagonale bilden. »Die Grenze des Wattenmeeres. Davor fällt das Watt bei Ebbe trocken. Dahinter liegt das tiefe Meer. Der Kanal. Und dahinter liegt Cornwall.«
    »Wie weit?«
    »Elf oder zwölf Seemeilen bis zur Wattgrenze. Da wir gegen den Wind aus Nordwest kreuzen müssen, ist es viel weiter. Die Strömung aus Südost versetzt bis zum Strömungswechsel in einer Stunde mit drei bis fünf Knoten. Aber mein Boot ist mit siebenundzwanzig Fuß Länge sehr schnittig und schafft mit dem großen Segel hoch am Wind acht bis zehn Knoten.«
    »Ich versteh kein Wort«, unterbricht sie mich. »Gibt’s von deinem Vortrag auch eine verständliche Kurzfassung?«
    »Fünf bis sieben Stunden.«
    »Na also, es geht doch.«
    »Angst?«
    »Noch nicht.« Sie versucht ein zuversichtliches Lächeln, das ihr jedoch gründlich misslingt. »Ich sag dir, wenn’s so weit ist.«
    »In Ordnung. Ich lass es dich wissen, wenn es Zeit ist, in Panik auszubrechen.«
    Kein Kommentar von Alessandra.
    Ich setze das Segel und stelle die Rute an der Mastspitze schräg, sodass eine Seite des dreieckigen Tuchs horizontal verläuft und mit dem Tau an der Spitze gespannt werden kann. Auf dem schwankenden Deck mühsam das Gleichgewicht haltend, taumele ich nach hinten zum Ruder, während Alessandra sich schon fast auf allen vieren nach vorn durch das inzwischen knöcheltiefe übergekommene Wasser kämpft, sich hastig die Rettungweste aus Kork anlegt und die Kette einholt, die sie am Bug verstaut.
    Und los geht’s.
    Wir stehen im Wind. Steuerbords ist freies Wasser. Ich richte die Rute mit dem Segel aus, lasse mich ein oder zwei Bootslängen nach Osten, also zum Felsenstrand, drücken, gehe kurz auf Steuerbord, wende dann aber sofort nach einem kurzen Kreuzschlag auf Backbord. Dann sind wir unterwegs.
    Alessandra sieht zu mir herüber. »Wir segeln um den Mont herum?« Sie muss schreien, um das Heulen des Sturms und das Donnern der Wogen zu übertönen.
    »So komme ich hervorragend frei. Der Wind treibt uns nach Südosten. Im Windschatten der Abtei mache ich eine Halse.«
    »Yannic!«
    »Eine Halse sind zwei Wenden hintereinander, jeweils eine über Backbord und über Steuerbord.«
    »Und was bedeutet

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