Das Testament des Satans
die scharfe Klinge. Jetzt kann ich die Innenseite seiner Hand sehen.
»Wirf das Schwert weg!«, fordert Alessandra eindringlich.
»Worauf wartest du?«, ruft Robin. »Nun mach schon!«
»Das Schwert gehört mir!« , brüllt Padric und lässt die Klinge durch die Luft wirbeln.
»Er ist verrückt!«, ruft Robin. Er macht einen Schritt auf Padric zu.
»Bleib stehen!« Padric reißt das Schwert hoch und bedroht Robin damit. Plötzlich bricht alles aus ihm hervor, was sich in den letzten Wochen, seit dem Tod seines Vaters, aufgestaut hat. Sein Hass auf die Engländer, die Wales besetzt halten und seit Jahren den Mont belagern. Seine schrecklichen Satansvisionen. Seine furchtbare Angst. Sein Wunsch, die Abtei zu verlassen und nach Wales zurückzukehren, den er mir vorhin nach seinem Zusammenbruch anvertraut hat: »Ich kann nicht mehr. Und ich will auch nicht mehr. Ich habe Angst, Yannic, furchtbare Angst. So wie du. Das Böse ist entfesselt, etwas Unheimliches, Gewalttätiges und Blutgieriges manifestiert sich in der Abtei …«
Robin lässt sich nicht beirren. Ungestüm prescht er vor.
Padric heult auf vor Wut. »Robin, bleib stehen!«, brüllt er, dann sieht er mich an. »Yannic, hör zu, das Schwert ist kel …«
Robin stößt einen Fluch aus. Ungestüm wirft er sich auf Padric.
Ein wilder Kampf entbrennt, hart, erbarmungslos. Und zu kurz, als dass Alessandra und ich eingreifen könnten, um die beiden voneinander zu trennen. Nach nur wenigen Augenblicken ist alles vorbei.
Tödlich getroffen stürzt Padric zu Boden. Das Schwert gleitet ihm aus der Hand und fällt klappernd auf das Geröll.
Robin schwankt. Er tastet mit der Hand unter seine Kukulle und zieht sie blutüberströmt wieder hervor. Mit aufgerissenen Augen sieht er mich an. Er taumelt einen Schritt auf mich zu, dann noch einen – und stürzt vornüber, noch bevor ich ihn auffangen kann.
Ich knie mich neben ihn, während Alessandra nach Padric sieht. »Robin!«
»Yannic«, flüstert er heiser. »Es tut mir so leid. Ich wollte ihn nicht töten. Ich wollte das Schwert …«
»Ich weiß, Robin. Sei ganz ruhig.«
»Es … muss … vernichtet werden.« Ein rasselndes Husten schüttelt seinen Körper.
»Alessandra und ich werden mit meinem Boot aufs Meer hinaussegeln und das Schwert jenseits des Watts in die Tiefe werfen.«
»Das sind … elf oder zwölf Seemeilen … gegen den Wind … Wahnsinn bei diesem Sturm!« Wieder ein Husten. Robin ringt nach Atem.
»Das ist der einzige Weg. Wenn wir das Schwert ins Watt werfen, wird es mit der nächsten Flut wieder in die Bucht gespült und irgendwann entdeckt. Das darf nicht geschehen.«
Alessandra hockt sich neben mich. Das Schwert des Satans hat sie wieder in Eoghans Schwertgurt geschoben. Sie legt ihn neben sich auf das Geröll. »Padric ist tot.«
Robin schluchzt auf. »Das siebte Siegel. Gott sei uns allen gnädig …«
Tränen steigen mir in die Augen, und ich muss schlucken.
Alessandra legt mir tröstend die Hand auf die Schulter. »Es tut mir leid, Yannic. Ich weiß, wie viel Padric dir bedeutet hat.«
Ich nicke nur. Trauer legt sich um mein Herz wie eine Schicht aus Raureif. Das Atmen fällt mir schwer. Ich fühle nur noch Erschöpfung und Schmerz.
»Ihr … solltet … aufbrechen«, quält Robin heraus. »Der Sturm … wird immer stärker.«
»Robin, ich kann dich doch nicht …«
»Yannic … sei vernünftig … Gib mir … die Sterbesakramente … Mehr kannst du nicht … für mich tun.«
»Robin …«
»Alessandra … bring ihn zur Vernunft … sei so gut … und nun verschwindet endlich … alle beide!«
Ich ziehe Conans Sant Mikael unter dem Skapulier hervor und drücke ihn Robin in die Hand. »Er ist bei dir, Robin.«
Seine Augen schwimmen in Tränen. »Du brauchst ihn … mehr als ich … Yannic.«
»Nein.« Ich nehme seine Hand, lege das Amulett hinein und schließe seine Finger darum. »Nimm du ihn.«
Er nickt dankbar. »And now … get lost.«
Ich lächele über die Wortwahl. »I will.«
Die Schalen des Zorns
Und ich höre eine laute Stimme aus dem Tempel
zu den sieben Engeln sagen:
Geht hin und gießt die sieben Schalen
des Zornes Gottes
aus auf die Erde.
Apokalypse des Johannes
Alessandra
Kapitel 81
Auf dem Weg zu Yannics Boot
Viertel vor neun Uhr morgens
Sintflutartiger Regen stürzt auf uns herab. Sturmböen zerren an unseren Kleidern.
Vorsichtig folge ich Yannic den Weg hinunter zur Mole. Als er unvermittelt stehen bleibt, pralle ich von hinten gegen ihn. Ich
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