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Das Testament des Satans

Das Testament des Satans

Titel: Das Testament des Satans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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zeigen, dass ich noch lebe. In diesem Augenblick bricht die nächste Welle über mich herein und reißt mich wieder in Richtung der Felsen. Prustend ringe ich nach Atem, spanne die Muskeln an und bereite mich auf den Aufprall vor. Ich strecke die Arme aus, um mich festzuhalten, aber ich habe nicht genug Kraft, um mich an Land zu ziehen.
    Als ich erneut zurückgerissen werde, verfange ich mich in etwas, das unter der Oberfläche treibt. Es ist eines von den riesigen Netzen, mit denen die Fischer des Mont fischen! An acht bis zehn Ellen hohen Stangen, die sie bei Ebbe ins trocken gefallene Watt stecken, spannen sie ihre sechshundert bis achthundert Schritt langen Netze auf, um mit der heranströmenden Flut ihren Fang zu machen: Die Bucht wimmelt nur so von Meerbarben, Seezungen, Steinbutt, Lachs und Stör. Die Fischer tragen große Weidenkörbe auf dem Rücken, in denen der Fang zurück zum Mont gebracht wird, entweder zu Fuß oder auf dem Karren.
    Das schwere Netz, das sich in der Dünung losgerissen hat, zieht mich unter die Oberfläche. Verzweifelt kämpfe ich mich durch das schäumende Wasser wieder nach oben. Dann erfasst mich eine neue Welle und schiebt mich, Kopf unter Wasser, zurück ans Ufer.
    Plötzlich ist Yannic über mir, packt mich an den Schultern, zerrt mich auf den Felsabhang und befreit mich aus dem Netz. Keuchend sinke ich neben ihm auf die schroffen Felsen, schließe die Augen und atme tief durch. »Und ich dachte, wir hätten das Schlimmste überstanden, als wir die Abtei verließen. Das Herz der Hölle.«
    »Ha!« Yannic lacht trocken. »Du weißt doch: Das Beste kommt immer zum Schluss.«
    Ich stöhne entnervt und lasse mich zurücksinken.
    Er streicht mir die nassen Haare aus dem Gesicht. »Wirst du’s schaffen?«, fragt er ernst.
    »Wenn du’s schaffst.« Müde setze ich mich auf. Ich zittere vor Kälte und Erschöpfung. »Und vor allem: Wenn dein Boot es aushält und nicht zerbricht.«
    »Es wird nicht sinken …«
    »… waren die letzten Worte des Seemanns, bevor die Wellen über ihm zusammenschlugen.« Ich rappele mich auf. »Komm, bevor ich’s mir anders überlege.«
    Mit eingezogenem Kopf kehren wir zur Mole zurück. Mittlerweile steht sie fast vollständig unter Wasser. Wir ducken uns unter der aufspritzenden Gischt hindurch und tasten uns Schritt für Schritt bis zu dem Poller, an dem Yannics Boot festgemacht ist.
    »Und jetzt?«, frage ich. Besorgt beobachte ich, wie das Boot sich auf den Wellen hin und her wirft, abwechselnd mit den Fendern aus Kork gegen die Mole kracht oder an der Kette zerrt.
    »Pass auf!«, ruft Yannic, als eine Woge sich hinter uns auftürmt. »Festhalten!«
    Mit ganzer Kraft umklammere ich den Poller, während ein eisiger Sturzguss auf uns niedergeht und uns mit sich zu reißen droht. Wasser dringt mir in die Nase, ich verschlucke mich und muss husten.
    »Wie kommen wir aufs Boot?«

Yannic
Kapitel 82
    Auf der Mole
Kurz vor neun Uhr morgens
    Eine Seeschwalbe fliegt von der Bootskante auf, als Alessandra mit einem gewaltigen Satz ins Boot hinüberspringt. Auf den rutschigen Planken ausgleitend hält sie sich mit beiden Armen am Mast fest und dreht sich zu mir um. Eine Woge reißt das Boot herum, und sie gleitet aus und kracht aufs Deck. Fluchend rappelt sie sich wieder hoch, verliert jedoch sofort wieder das Gleichgewicht, knallt wieder hin, kommt aber schnell wieder hoch.
    »Alles in Ordnung?«
    Sie winkt ab. »Jetzt du«, schreit sie gegen den Sturm an.
    »Ich muss erst die Kette losmachen«, brülle ich zurück.
    Sie betrachtet das tosende Wasser rund ums Boot. »Und dann?«
    Statt einer Antwort beuge ich mich über den Poller, um das Boot vom Pier loszumachen. In den vergangenen Stunden hat der Sturm dramatisch an Stärke zugenommen. Der Wind heult in den Wipfeln der Eichen unterhalb der Abtei. Die herantosenden Brecher donnern gegen den Granitfelsen des Mont, der unter der Wucht des Anpralls zu erbeben scheint. In dem Moment, als ich den Schlüssel ins Schloss fummele, um die Kette zu lösen, zuckt ein bläulich-greller Blitz aus den schwarzen Wolken, dem sofort ein gewaltiger Donnerschlag folgt, der mit einem seltsamen Flattern verklingt. Besorgt richte ich mich auf und blinzele hinauf.
    Ein Brecher reißt mir die Kette aus der Hand, wirft mich in die schäumende Brandung und treibt das Boot von der Pier weg.
    Durch das tobende Wasser schwimme ich zum Boot hinüber, packe mit beiden Händen die Bootskante und stemme mich hoch. Alessandra greift mir unter

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