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Das Testament des Satans

Das Testament des Satans

Titel: Das Testament des Satans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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verglimmen. Ein gut gezielter Schlag auf den Solarplexus fühlt sich an, als hätte dich ein Blitz getroffen …
    Als ich mich nach Atem hechelnd wieder aufrichte, ist der Assassino die Stufen hinaufgestolpert und in der Dunkelheit des Treppenhauses verschwunden.
    Wohin ist er geflohen? Ins benachbarte Scriptorium, wo er sich zwischen den Schreibpulten und den Büchertischen versteckt? Oder die Treppe hinauf zum Refektorium, zum Dormitorium, zur Abteikirche und zum Kreuzgang?
    Eine Welle der Übelkeit schüttelt mich.
    Schwankend schleppe ich mich zum Tisch hinüber, wo neben meinen Reisetaschen die Karaffe mit Calvados steht, die Yannic mir vorhin dagelassen hat. Ich mache mir nicht die Mühe, mit zitternden Fingern eines der Gläser vollzuschenken, und nehme einen tiefen Schluck aus der Karaffe. Warm rinnt der Calvados durch meine Kehle.
    Dann stoße ich mich von der Tischplatte ab und folge dem Attentäter die Stufen hinauf und durch das offene Portal in die dunkle Treppengalerie. Rechts führt eine Tür ins Scriptorium, das zur Klausur der Mönche gehört. Eigentlich müsste sie verschlossen sein – aber von wegen! Links windet sich eine Treppe hinauf zum obersten Stockwerk der Merveille. Durch ein offenes Fenster fegt der Sturm in die Galerie.
    Ich schleiche zur Treppe. Eines der Fenster, das offenbar vor Kurzem zertrümmert worden ist, wird von einem ölgetränkten Pergament im Spannrahmen notdürftig verschlossen. Das feine, transparent geschabte Pergament flattert nun in den heftigen Böen, die im Hof zwischen der Abteikirche und der Merveille umherwirbeln.
    Langsam steige ich die Stufen hinauf und werfe einen Blick am zerfetzten Pergament vorbei nach draußen.
    Keine Spur vom Assassino.
    Kurz entschlossen klettere ich durch die Fensteröffnung, springe hinunter in den Hof und sehe mich um.
    Vor mir ragen die Mauern des eingestürzten Chors der Abteikirche in die Höhe. Die Krypta ist in den letzten Jahren durch Kardinal d’Estouteville wiederaufgebaut worden. Das hölzerne Baugerüst für den neuen Chor oberhalb der Krypta sieht mit der im Wind flatternden Segeltuchverkleidung aus wie ein gestrandetes Wrack.
    Links schlängelt sich ein Weg zu einem verborgenen Gärtchen, in dem schulterhoch die Brennnesseln wuchern. Ein Aussätziger kann keinen Schmerz empfinden – ob er sich in den hin und her wogenden Nesseln versteckt? Rechts führen etliche mit abgerissenen Zweigen bedeckte Stufen hinauf zur Krypta der dicken Pfeiler, dem massiven Fundament des neuen Chors. Bis zum Portal der Krypta sind es nur wenige Schritte. Es ist nur angelehnt und bewegt sich knarrend im Wind.
    Ich atme tief durch und ziehe meinen Dolch.
    Also dann!
    Mit einem entsetzlichen Quietschen bewegt sich das Tor in den Angeln, als ich es aufstoße.
    In der Krypta ist es finster wie in der Hölle. Selbst die wuchtigen Pfeiler keine drei Schritte hinter dem Portal kann ich nur erahnen, weil der Raum von dichten Weihrauchschwaden erfüllt ist, die etlichen in der Krypta verteilten Räuchergefäßen entströmen. Mit dem Dolch in der einen Hand, die andere vor mir ausgestreckt, damit ich nicht gegen eine der Säulen stoße, taste ich mich Schritt für Schritt vorwärts.
    Ist er hier?
    Ich bleibe stehen und lausche. Doch der Sturm heult so erschreckend laut durch diese Krypta, dass ich nicht einmal meinen eigenen Atem hören kann.
    Der Weihrauch reizt mich zum Husten.
    Sandra, du bist bescheuert! Was soll das? Tommaso hat dich nicht hierhergeschickt, damit du mitten in einer Sturmnacht in einer finsteren Krypta dein Leben riskierst! Und wenn er sich von hinten an dich heranschleicht? Komm schon, sei vernünftig und kehr um!
    Wie die abgespreizten Finger einer Hand umgeben fünf tiefe Nischen die dicken Pfeiler, deren Gewölbe den neu errichteten Chor über mir tragen. Die andere Seite der Krypta bildet der massive Granitfelsen des Mont-Saint-Michel, auf dem die Abteikirche erbaut wurde.
    Ein scharfes Rascheln, wie von Leder auf Stein, vor mir in der Dunkelheit. Also doch!
    Ich gehe langsam weiter. Die nächste Nische hat an ihrem Ende zwei hohe Fenster und eine Tür, die vermutlich zu dem versteckten Gärtchen mit den Brennnesseln führt. Sie ist verschlossen.
    Weiter! In der Finsternis zwischen den Pfeilern fegt der Wind, ein eisiger Luftzug streicht mir über den Nacken. Die dichten Weihrauchschwaden machen mich schwindelig!
    Durch die Fenster der nächsten Nische kann ich die Fassade des Kapitelsaals erkennen, das Tor zum Saal der Wachen,

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