Das Testament des Satans
Liebe, von Zufriedenheit und Glück. Der andere voller Gewalt: Im Löwenhof der Alhambra liegen Yared und der kleine Elija in ihrem Blut, neben ihnen die fünf Hashishin, die den mächtigen Wesir des Sultans von Granada ermordet haben. Sultan Muhammad, fassungslos über den Tod seines besten Freundes, umarmt Alessandra und murmelt tröstende Worte.
Beide Träume sind gleich schmerzhaft – denn beide lassen sie mitten in der Nacht zitternd und allein zurück.
»Ich sehne mich nach Yared«, flüsterte sie und strich dabei gedankenverloren über eine Narbe auf ihrer Stirn. Ihr von der Sonne gebräuntes Gesicht zeigt in den Augenwinkeln und neben den Lippen die ersten Fältchen – sie ist schon vierunddreißig, vier Jahre jünger als ich. »Mit jeder Faser meines Körpers verzehre ich mich nach ihm. Nach seinem Lächeln, nach seinen sanften Augen mit den langen Wimpern, nach seinen seidigen Locken mit den ersten silbernen Strähnen, die sein Gesicht umrahmen, das er so oft an meine Schulter gelegt hat. Nach seinen sinnlichen Lippen, nach seinen zärtlichen Händen, die mich in Ekstase versetzen konnten, nach seinem Zauber, seiner Lebensfreude, seinem schallenden Gelächter, das man im ganzen Palast hören konnte, nach seiner Zärtlichkeit, seiner Ungeduld, wenn nicht alles nach seinem Willen geschah, nach seiner Chuzpe, sich über gesellschaftliche Regeln hinwegzusetzen, nach seinem herablassenden Blick, wenn er spürte, dass ich wütend auf ihn war, nach seiner Art, mich aufzuziehen, und nach seinen Frotzeleien, die mich in Rage bringen konnten, nach seinen kleinen Fehlern, die ich ihm so leicht verzieh, nach seinen bescheuerten Ideen, die mich zum Lachen brachten, nach seiner Liebe und seiner Treue.
Mir fehlen unsere Wortgefechte und die Versöhnung nach jedem Streit. Ich vermisse es, wie er sich schon mal nach anderen Frauen umschaute, und so manches Mal blieb es nicht dabei – Yared hatte Affären, auch außerhalb seines Harems voller williger Gespielinnen, die der Sultan ihm ins Bett legte. Yared konnte es einfach nicht lassen. Aber er kam immer wieder zu mir zurück, oft schon nach einer einzigen Nacht. Ich vermisse es, wie er mich liebte, selbstlos, zärtlich, leidenschaftlich und manchmal auch sehr grob. Ich vermisse es, wie er unseren Liebesakt in die Länge gezogen hat, indem er immer wieder mit seinen Liebkosungen innehielt, um unsere Lust ins Unermessliche zu steigern. Ich vermisse es, wie er seinen Kopf an meine Schulter legte und sich an mir rieb, weil er wusste, dass ich nach dem Liebesakt noch immer Lust verspürte, solange er sich in mir bewegte. Er empfand nichts dabei, und eigentlich war es ihm sogar unangenehm, aber er tat es trotzdem, weil er wusste, dass ich es mag. Wenn ich nachts aufwache, spüre ich noch manchmal seine Hände auf meiner Haut, seine Lippen auf meinen, seine Leidenschaft. Ich strecke die Hand aus, doch das Bett neben mir ist kalt und leer, ich bin allein. Ich bin verloren ohne ihn, ziellos, haltlos, hoffnungslos.
Es tut mir leid, dass wir nicht mehr Zeit füreinander hatten. Es tut mir leid, dass ich manchmal wütend auf ihn war, dass ich mich mit ihm gestritten habe und mich nicht immer bei ihm entschuldigt habe – ich war zu stolz. Es tut mir leid, dass ich ihn nicht so beschützen konnte, dass nicht einmal Gott ihn von mir hätte fortreißen können.
Yared war meine Liebe, für die ich alles aufgegeben habe, meinen Titel, meinen Namen, meine Heimat, meine Freunde, mein Ansehen, alles. Ich habe ihn gefunden und nie wieder gehen lassen. Nicht als er sagte, er könne als Jude nicht mit mir in Rom leben, und nicht, als er mich verließ, um nach all den Jahren des Exils als Wesir des Sultans nach Granada zurückzukehren. Nicht als er sterbend in meinen Armen lag, nicht als der Tod ihn mir entriss, während ich schrie und weinte, nicht als ich an seinem Grab stand und eine Hand voll Erde auf ihn hinabwarf.
Wie es ist, einen solchen Menschen zu verlieren, der dein Leben inspiriert, den Ehemann, den besten Freund, den Geliebten? Ich könnte sagen: Es ist ein Schmerz, der dir das Herz zerreißt. Es ist ein langsames Sterben, ein innerer Tod. Es ist die Hölle auf Erden. Es ist Vergessen, jeden Tag aufs Neue, solange du lebst. Es ist Einsamkeit. Die wenigsten Menschen, denen du dich anvertraust, verstehen dich. Also mach ich’s kurz: Einen geliebten Menschen zu verlieren ist schwer. Sehr schwer.«
Noch immer aufgewühlt von ihrem Gefühlsausbruch blinzele ich gegen die
Weitere Kostenlose Bücher