Das Testament des Satans
auf die Steinbank im Säulengang. »Gott hat dich nicht verdammt. Du verdammst Gott. Du wirfst ihm den Fehdehandschuh hin, wild und ungestüm wie immer, weil du ihn in deiner Verzweiflung für ungerecht hältst. Und für unbarmherzig. Aber er liebt dich, Padric, wie einen Sohn.«
Padric schüttelt verzweifelt den Kopf und starrt auf das wogende Heckenlabyrinth im Inneren des Kreuzgangs.
Ich ziehe sein silbernes Brustkreuz aus den Falten seiner Kukulle und drücke es ihm in die Hand. »Schau auf Jesus Christus, Padric. Er ist dein Bruder. Er wird dich erlösen.« Er stiert das Kreuz an und antwortet nicht. Ich lege ihm die Hand auf die Schulter. »Padric?«
Er schüttelt langsam den Kopf. »Yannic, ich zweifele«, flüstert er schließlich. »Nicht mehr als ich.« Ich deute auf den Gekreuzigten in seiner Hand. »Nicht mehr als er.«
» Doch, Yannic. Seit vor ein paar Wochen mein Vater gestorben ist, weiß ich nicht mehr, was ich tun soll.«
Ich will ihn unterbrechen, doch er hebt die Hand.
»Nein, lass mich bitte ausreden. Wir haben darüber gesprochen: Ich bin sein einziger Sohn, sein Erbe. Meine drei Brüder sind im Kampf gefallen. Ich bin der Letzte unseres Namens. Mein Vater hat mit Owain Glyndŵr für die Freiheit gekämpft. Vor vielen Jahren hat er mit Owain die Burg von Caernarfon belagert, seit Jahrhunderten das Symbol, wie Wales durch die Engländer unterdrückt wird. Owain Glyndwr war der letzte Waliser als Prince of Wales. Mein Vater Rhys ritt an seiner Seite, als er Wales von den Engländern zurückeroberte. Und er war bei Owain, als er starb. Ich bin Padric ap Rhys, sein Sohn. Ich muss seinen Kampf fortsetzen. Und ich muss mich um meine Schwester Gwenllian kümmern. Sie ist jetzt ganz allein.«
Gwenllian habe ich kennengelernt, als ich nach Rozenns Tod und meinem Zusammenbruch einige Wochen bei Padrics Familie in Wales war, um wieder festen Boden unter die Füße zu bekommen. Mit Padrics Schwester habe ich damals am Strand lange Gespräche geführt, die fast einer Lebensbeichte glichen. Meine Tränen haben sie nicht gestört, sie hat mich einfach in den Arm genommen und mich weinen lassen. Gwenllian hat mir sehr geholfen, über Rozenns Tod hinwegzukommen.
Ich atme tief durch. »Hast du dich Père Corentin anvertraut?«
»Als du bei Alessandra warst.«
»Und?«
»Le Coz sagt, ich habe die Gelübde abgelegt und sei damit für die Welt gestorben.« Er fährt sich durch das zerraufte Haar. In den letzten Wochen, seit Padric trauert, ist seine Tonsur zugewuchert und unter einem Dickicht von wirrem blondem Haar verschwunden. Er ähnelt inzwischen mehr einem Ritter als einem Mönch. Padric in Helm und Harnisch, das kann ich mir gut vorstellen. Ich habe ihn ja schon so gesehen, damals in Caernarfon. »Ich könne das Erbe meines Vaters nicht antreten, sagt er. Und ich dürfe nicht zum Schwert greifen und Blut vergießen. Auch nicht für die Freiheit von Wales von diesen verdammten englischen Besatzern.«
»Le Coz hat recht. Solange du ein Mönch bist, sind dir die Hände gebunden.«
»Es ist unerträglich!« Padric hebt die Arme, als wolle er seine Ketten sprengen. »Ich im Kloster, im Exil in der Normandie – und die verdammten Engländer in Caernarfon.«
»Padric …«
Seine blauen Augen funkeln, das Licht der Blitze spiegelt sich darin. »Yannic, ich meine es ernst. Ich muss etwas anderes tun, als nur zu hoffen und zu beten. Mit einem frommen Flehen zu Saint-Michel kann ich meine Heimat nicht retten. Ich will kämpfen. Für die Freiheit und für die Unabhängigkeit von Wales. So wie Louis d’Estouteville hier auf dem Mont gegen die Engländer gekämpft hat.«
Padric ist kein sanfter Mensch, und ich brauche viel Geduld und Besonnenheit, um ihn zu bändigen. Gnadenlos bohrt er seinen Finger in die Wunden anderer. Mit verletzenden Worten setzt er Robin oft zu. Und auch mich verschont er nicht. Padric wirft mit Flüchen um sich, und er ist nicht eben zimperlich, wenn es darum geht, seinen Willen durchzusetzen. Er ist so schroff und kantig wie der Granitfelsen, auf dem die Abtei steht. Und wenn sein plötzlich aufflammender Zorn ihn packt und er mit der Faust auf den Tisch haut, ist er kaum noch zu halten. Seit sein Vater Rhys tot ist, ist Padric noch unbeherrschter geworden, noch aufsässiger. Und noch empfänglicher für die Anfechtungen und die Selbstzweifel, die ihn innerlich zerreißen, seit ich ihn als sein Prior in Saint Michael’s Mount aufgenommen habe.
Padric, der Rebell, kämpft sein
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