Das Testament eines Excentrischen
verläuft die Sache ganz anders. Dieses ist vor allen das Land der Scheidungen, und es bedarf hier nur der Bestätigung durch einen Zeugen, daß man daselbst sechs Monate wohnhaft gewesen sei, so kann man alle Erleichterungen bei einem solchen Schritte beanspruchen.
Dadurch entstand der Beruf des Zutreibers und Zeugen vor dem Manne des Gesetzes und für ihn. Diese Leute spüren die Clienten auf, zeugen zu ihren Gunsten, beschaffen für sie Stellvertreter, wenn sie nicht selbst erscheinen wollen und es vorziehen, die Sache durch Procuration abzumachen… kurz, sie sorgen für alle möglichen Erleichterungen. Uebrigens ist es mehr der Flecken Sioux Falls als Yankton selbst, der in dieser Hinsicht den Record hält.
»O mein Herr, erwiderte auf jene letzten Worte Herr Hoggarth ausnehmend höflich, ich bedauere unendlich, daß Sie nicht verheiratet sind!
– Ich ebenfalls, antwortete Harris T. Kymbale, da ich hier eine so schöne Gelegenheit gehabt hätte, das Ehejoch wieder abzuschütteln.
– Da Sie aber nach Yankton gehen, versäumen Sie ja nicht, sich dort vor drei Uhr einzufinden, um einem dann stattfindenden großen Meeting beizuwohnen.
– Einem Meeting… zu welchem Zwecke?
– Es handelt sich darum, die gesetzlich vorgeschriebene Aufenthaltsdauer auf drei Monate zu verkürzen, wie in Oklohama, das uns eine recht schlimme Concurrenz macht. Das Meeting wird der ehrenwerthe Herr Heldreth leiten.
– Wirklich… Herr Hoggarth?… Wer ist denn dieser Herr Heldreth?
– Ein hochachtbarer Kaufmann, der sich schon siebzehnmal hat scheiden lassen, und man raunt sich zu, es werde auch noch öfter geschehen.
– Herr Hoggarth, ich werde nicht verfehlen, rechtzeitig in Yankton zu sein.
– Ich verlasse Sie also, mein Herr, und halte mich für die Zukunft zu Ihrer Verfügung.
– Sehr schön, Herr Hoggarth, auch ich werde ein so verbindliches Angebot nicht vergessen.
– Ja, man weiß doch nicht, was noch geschehen kann…
– Gewiß nicht, Herr Hoggarth!« antwortete Harris T. Kymbale.
Damit verabschiedete er sich von dem Zeugen und gleichzeitigen Zutreiber für die Rechtsanwälte Dakotas.
Jetzt verlangte es ihn nur noch zu erfahren, ob das von dem »hochachtbaren« Herrn Heldreth geleitete Meeting sich für die unschätzbaren Erleichterungen, deren sich Oklohama erfreute, entscheiden und damit auch Erfolg haben werde.
Am nächsten Tage, am 24., um sechs Uhr des Morgens bestieg der Hauptberichterstatter der »Tribune« den Zug, der nach Süddakota abging.
Zwischen den beiden Staaten spannt sich ein sehr verwickeltes Netz von Schienenstraßen aus. Da es von Fargo bis Yankton aber nur zweihundertfünfzig Meilen weit ist, durfte Harris T. Kymbale jedenfalls darauf rechnen, vor der für das Meeting angesetzten Stunde in letzterer Stadt einzutreffen.
Zum Glück war die letzte Theilstrecke der Bahn zwischen der Station Medary und Sioux Falls eben fertig geworden und wurde heute dem Verkehr übergeben. Harris T. Kymbale sah sich infolgedessen nicht genöthigt, einen Theil des Weges zu Wagen oder zu Pferde zurückzulegen, wie bei seiner Reise nach Neumexiko und in Californien.
Er überschritt also die nur gedachte Grenze zwischen beiden Staaten, und es war elf Uhr, als er, nachdem der Zug nahe dem kleinen Flecken Medary am Ufer des Big Sioux River zum Stehen gekommen war, alle Passagiere aussteigen sah.
Da wendete er sich an einen auf dem Bahnsteige dienstthuenden Beamten.
»Bleibt der Zug hier stehen? fragte er.
– Ja, er geht nicht weiter, belehrte ihn der Beamte.
– Wird denn die Strecke zwischen Medary und Sioux Falls City nicht heute eröffnet?
– Nein, mein Herr
– Wann denn?
– Morgen.«
Das paßte Harris T. Kymbale freilich gar nicht, denn jene beiden Stationen liegen gegen sechzig Meilen von einander, und wenn er einen Wagen miethete, kam er doch zu spät, um das Meeting unter dem Vorsitze des Herrn Heldreth zu besuchen.
Da bemerkte er auf dem Bahnhofe von Medary einen Zug, der zum Ablaufen in der Richtung nach Yankton bereit zu stehen schien.
»Nun… und der Zug dort? fragte er.
– O, dieser Zug… antwortete der Beamte in ganz eigenthümlichem Tone.
– Wird der nicht abgehen?
– Ja wohl… zwölf Uhr dreizehn.
– Nach Yankton?
– O… Yankton!« erwiderte der Beamte achselzuckend.
In demselben Augenblicke wurde der Mann aber vom Bahnhofsvorsteher abgerufen und konnte Harris T. Kymbale also keine weitere Aufklärung geben.
Uebrigens war das gar kein Personenzug, sondern er
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