Das Testament
ihnen Snead sicherlich helfen.
Letzter Punkt der Tagesordnung war das Auftreten Rachel Lanes und ihres Anwalts.
»In der Akte ist nicht ein Blatt, das diese Frau unterschrieben hat«, sagte Hark. »Sie ist eine Einsiedlerin. Mit Ausnahme ihres Anwalts weiß kein Mensch, wo sie sich aufhält, und der sagt nichts. Er hat einen ganzen Monat gebraucht, um sie zu finden. Sie hat nichts unterschrieben. Theoretisch ist das Gericht für sie gar nicht zuständig. Für mich ist sonnenklar, dass die Frau Bedenken hat, an die Öffentlichkeit zu treten.«
»So verhalten sich auch manche Lotteriegewinner«, merkte Bright an. »Sie wollen nicht, dass die Sache an die große Glocke gehängt wird, damit sie nicht von Hinz und Kunz angeschnorrt werden.«
»Und was ist, wenn sie das Geld gar nicht will?« fragte Hark. Fassungslosigkeit machte sich breit.
»Das wäre verrückt«, sagte Bright spontan. Seine Worte hingen noch im Raum, während er über das Unmögliche nachdachte.
Bevor sich die anderen gefasst hatten, fuhr Hark unbeirrt fort: »Das ist nur so ein Einfall, aber ganz außer acht lassen sollten wir diese Möglichkeit nicht.
Nach dem Gesetz des Staates Virginia ist kein Erbe verpflichtet, eine Erbschaft auch anzutreten. In einem solchen Fall gehört der entsprechende Betrag nach wie vor zum Nachlass, bis anderweitig darüber verfügt wird. Falls dies Testament für ungültig erklärt wird und es keine anderen Testamente gibt, bekommen Troy Phelans sieben Kinder alles. Falls Rachel Lane auch davon nichts möchte, teilen sich unsere Mandanten den gesamten Nachlass.«
Man konnte förmlich sehen, dass alle wie wild rechneten: elf Milliarden abzüglich Erbschaftssteuer, geteilt durch sechs. Dann der jeweilige Prozentsatz für die anwaltliche Tätigkeit - beträchtlicher Wohlstand schien in Reichweite.
Statt siebenstelliger Honorare sahen sie mit einem Mal achtstellige vor ihrem geistigen Auge.
»Das ist ja wohl ein bißchen an den Haaren herbeigezogen«, sagte Langhorne langsam. Sie war von dem vielen Kopfrechnen noch ganz benommen.
»Finde ich nicht«, sagte Hark. Offensichtlich wusste er mehr als die anderen.
»Eine Erklärung, mit der man sich dem Gerichtsstand unterwirft, ist eine einfache Sache. Will man uns wirklich weismachen, dass Mr. O’Riley nach Brasilien gereist ist, dort Rachel Lane gefunden, ihr die Sache mit dem Erbe auseinandergesetzt und dass sie ihn als Anwalt verpflichtet hat, ohne dass es ihm gelungen wäre, sich von ihr ein kurzes Dokument unterschreiben zu lassen, das die Zuständigkeit des hiesigen Gerichts anerkennt? Irgendwas stimmt da nicht.«
Yancy fragte als erster. »Brasilien?«
»Ja. Er ist gerade aus Brasilien zurückgekehrt.«
»Woher wissen Sie das?«
Hark griff langsam nach einer Akte und nahm einige Blätter heraus. »Ich habe einen sehr guten Ermittler an der Hand«, sagte er, und sofort herrschte Stille.
»Ihn habe ich gestern angerufen, nachdem ich, ebenso wie Sie, Rachels Antwort und O’Rileys eidesstattliche Erklärung bekommen habe. Im Laufe von drei Stunden hat er folgendes herausgebracht: Am 22. Dezember hat Nate O’Riley den Dulles Airport mit dem Varig-Flug 882 nonstop nach Sao Paulo verlassen. Von dort ist er mit dem Varig-Flug 146 nach Campo Grande geflogen, wo er eine Zubringermaschine der Air Pantanal zu einer Kleinstadt namens Corumba genommen hat. Dort ist er am 23. eingetroffen. Nach fast drei Wochen ist er dann wieder hierher zurückgekehrt.«
»Vielleicht hat er Urlaub gemacht«, murmelte Bright. Er war ebenso verblüfft wie die anderen.
»Möglich, aber ich bezweifle das. Mr. O’Riley hat den ganzen Herbst in einer Entwöhnungsklinik verbracht, und das war nicht das erste Mal. Da war er auch, als Troy Phelan gesprungen ist. Er ist am 22. Dezember entlassen worden und am selben Tag nach Brasilien geflogen. Diese Reise hatte nur ein einziges Ziel: Rachel Lane zu finden.«
»Woher wissen Sie das alles?« fragte Yancy.
» So schwer ist das nicht. Vor allem die Fluginformationen kann ein guter Hacker ohne weiteres ermitteln.«
»Und woher wussten Sie, dass er eine Entziehungskur gemacht hat?«
»Ich habe meine Informanten.«
Längeres Schweigen herrschte, während sie diese Mitteilungen verdauten. Sie bewunderten und verachteten Hark gleichzeitig. Er schien grundsätzlich über Informationen zu verfügen, die sie nicht hatten, aber jetzt war er auf ihrer Seite. Sie waren ein Team.
»Es geht jetzt einfach darum, wer am längeren Hebel sitzt«, fuhr
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