Das Testament
der Brief es je bis zu ihrer Hütte schaffte, würde sie ihn immer wieder lesen, ohne stilistischen Schwächen irgendwelche Beachtung zu schenken.
Nate sehnte sich danach, sie wiederzusehen.
ZWEIUNDVIERZIG
Einer der Gründe dafür, dass es mit der Arbeit im Keller der Kirche so schleppend voranging, war der, dass Pfarrer Phil morgens erst spät aufstand.
Laura sagte, wenn sie werktags das Haus um acht Uhr zu ihrer Arbeit in der Vorschule verlasse, sei er meist noch tief unter den Decken vergraben. Er verteidigte sich mit der Erklärung, er sei nun einmal eine Nachteule und sehe sich gern nach Mitternacht im Fernsehen alte Schwarzweißfilme an.
Daher war Nate ziemlich erstaunt, als ihn Phil am Freitag bereits um halb acht anrief. »Haben Sie schon die Washington Pos? gelesen?« fragte er.
»Ich lese keine Zeitungen«, gab Nate zur Antwort. Er hatte es sich während des Entzugs abgewöhnt. Phil hingegen las jeden Tag fünf Zeitungen, in denen er reichlich Material für seine Predigten fand.
»Vielleicht sollten Sie das aber tun«, sagte er.
»Warum?«
»Es steht etwas über Sie drin.«
Nate zog seine festen Schuhe an und besorgte sich in einem Laden zwei Ecken weiter eine Zeitung. Auf der ersten Seite stand eine hübsche Geschichte über die Auffindung von Troy Phelans verschwundener Erbin. Darin hieß es, dem Bezirksgericht des Fairfax County seien Dokumente vorgelegt worden, mit denen sie, vertreten durch ihren Anwalt, einen Mr. Nate O’Riley, die Behauptungen derer zurückweise, die das Testament ihres verstorbenen Vaters anfochten. Da es über sie nicht viel zu sagen gab, konzentrierte sich der Artikel auf den Anwalt.
Entsprechend seiner eidesstattlichen Erklärung, die ebenfalls dem Gericht vorliege, habe er Rachel Lane aufgespürt, ihr ein Exemplar des Testaments vorgelegt, die verschiedenen damit verbundenen Rechtsfragen mit ihr besprochen und es auf die eine oder andere Weise fertiggebracht, von ihr mit der Wahrnehmung ihrer Interessen betraut zu werden. Genaue Hinweise auf Rachel Lanes Aufenthaltsort gab es nicht.
Von Nate O’Riley hieß es, er sei früher ein prominenter Prozessanwalt und Partner der Kanzlei Stafford gewesen, die er aber im August vergangenen Jahres verlassen habe. Im Oktober habe er einen Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens über sein Vermögen gestellt, sei im November wegen Steuerhinterziehung unter Anklage gestellt worden, über die noch nicht entschieden sei. Dabei gehe es um dem Staat vorenthaltene Steuern in Höhe von sechzigtausend Dollar. Zu allem Überfluss hatte der Reporter den nebensächlichen Umstand erwähnt, dass er zweimal geschieden war, und um die Demütigung zu vervollständigen, war der Artikel mit einem schlechten Foto illustriert, das Nate bei einer Feier des Washingtoner Anwaltsvereins vor einigen Jahren mit einem Drink in der Hand zeigte. Aufmerksam betrachtete er die körnige Aufnahme, auf der er mit verschwommenen Augen, aufgequollenen Wangen und einem törichten Lächeln zu sehen war, das den Eindruck erweckte, als genieße er die Gesellschaft der Menschen um sich herum. Das war peinlich, aber es gehörte zu einem anderen Leben.
Natürlich konnte eine solche Geschichte nicht vollständig sein ohne eine knappe Darstellung der unerfreulichen statistischen Daten im Zusammenhang mit Troys Leben und Tod: drei Ehen, sieben Kinder, von denen man wusste, rund elf Milliarden Vermögenswerte, sein Sprung aus dem dreizehnten Stock.
Man habe Mr. O’Riley nicht erreichen können, und Mr. Stafford habe nichts zu sagen. Offensichtlich hatten die Anwälte der Phelan-Kinder bereits so viel gesagt, dass sie nicht um eine weitere Äußerung gebeten worden waren.
Nate faltete die Zeitung zusammen und kehrte in Joshs Häuschen zurück. Es war halb neun. Ihm blieben anderthalb Stunden, bis die Arbeit im Keller der Kirche begann.
Auch wenn die Bluthunde jetzt seinen Namen wussten, würde es ihnen schwer fallen, seine Spur aufzunehmen. Josh hatte dafür gesorgt, dass Nates Post an eine Postfachadresse in Washington ging, und außerdem auf den Namen des Anwalts Nathan F. O’Riley eine neue Telefonleitung einrichten lassen. Anrufe, die dort eingingen, wurden von einer Sekretärin in der Kanzlei Stafford entgegengenommen und notiert.
In St. Michaels wusste außer dem Pfarrer und seiner Frau niemand, wer Nate war.
Gerüchte besagten, er sei ein vermögender Anwalt aus Baltimore, der ein Buch schreiben wolle.
Sich verstecken machte süchtig. Vielleicht war das
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