Das Testament
Morgen zum Gericht ging, hatte er ein Pflaster im Gesicht gehabt.
Als nächstes kam er an einem kleinen Cafe vorüber, wo er so viel Kokain gekauft hatte, dass er sich damit fast umgebracht hätte. Die Drogenpolizei hatte dort eine Razzia durchgeführt, während er sich im Entzug befand, und zwei Aktienhändler, die er gut kannte, mussten ins Gefängnis.
In diesen Straßen hatte er seine besten Jahre zugebracht, während seine Frauen zu Hause gewartet hatten und seine Kinder ohne ihren Vater aufgewachsen waren.
Er schämte sich des Elends, das er heraufbeschworen hatte, und als er aus Georgetown hinausfuhr, schwor er sich, nie wieder dorthin zurückzukehren.
In Staffords Haus lud er weitere Kleidungsstücke und persönliche Habe ins Auto und fuhr dann eilends davon.
In der Tasche hatte er als Vorschuss für den ersten Monat einen Scheck über zehntausend Dollar. Der IRS wollte sechzig-tausend Dollar Steuerrückstände, und die Geldstrafe würde sich mindestens noch einmal auf denselben Betrag belaufen.
Bei seiner zweiten Frau war er mit rund dreißigtausend Dollar Unterhaltszahlungen im Rückstand, monatliche Zahlungsverpflichtungen, die während seiner Entziehungskur aufgelaufen waren.
Dadurch, dass er sich für zahlungsunfähig erklärt hatte, waren diese Schulden nicht getilgt. Er musste sich eingestehen, dass seine finanzielle Zukunft wirklich düster aussah. Jedes seiner jüngeren Kinder kostete ihn pro Monat dreitausend Dollar. Die Studiengebühren samt Verpflegung und Unterkunft der beiden älteren im Studentenheim kosteten fast ebenso viel. Von dem Geld, das er mit dem Fall Phelan verdiente, konnte er einige Monate leben, aber wenn er Josh und Wycliff richtig verstanden hatte, würde die Entscheidung eher früher als später fallen. Nach Abschluss der Nachlassangelegenheit würde sich Nate vor einem Bundesrichter der Steuerhinterziehung schuldig bekennen und seine Zulassung als Anwalt zurückgeben.
Phil sagte ihm, er solle sich keine Sorgen um die Zukunft machen, darum werde sich Gott kümmern.
Wieder einmal fragte sich Nate, ob sich Gott damit nicht mehr Mühe einhandelte, als Er erwartet hätte.
Da Nate außerstande war, auf etwas anderem zu schreiben als den in Anwaltskreisen üblichen Notizblöcken mit ihren weit auseinanderliegenden Linien und breiten Rändern, nahm er einen davon und versuchte, einen Brief an Rachel zustande zu bringen. Er wollte ihn mit dem Vermerk »persönlich und vertraulich«
an die Adresse von World Tribes Missions in Houston schicken und in einem Begleitschreiben an die Mitarbeiter dort darum bitten, dass sie den Brief an Rachel weiterleiteten.
Irgend jemand dort wusste bestimmt, wer und wo sie war. Vielleicht gab es sogar jemanden, dem bekannt war, dass es sich bei ihr um Troy Phelans Tochter handelte. Sofern dieser Jemand seine Schlüsse zog, würde er möglicherweise merken, dass Rachel die Milliardenerbin war.
Außerdem vermutete Nate, sie würde sich mit World Tribes in Verbindung setzen -
wenn sie das nicht ohnehin schon getan hatte. Sie war in Corumba gewesen und hatte ihn dort im Krankenhaus aufgesucht. Daher konnte er annehmen, dass sie in Houston angerufen und irgend jemandem von seinem Besuch berichtet hatte.
Sie hatte von ihrem jährlichen Etat gesprochen, den ihr die Mission zuteilte, also musste es irgendeine Art der postalischen Verbindung geben. Sofern dieser Brief in Houston in die richtigen Hände fiel, würde er vielleicht nach Corumba weitergeleitet, wo ihn Rachel zu gegebener Zeit abholen würde.
Er schrieb das Datum und begann dann: »Liebe Rachel«.
Eine Stunde verging, während er ins Feuer sah und nach Worten suchte, die nicht albern klangen. Schließlich begann er den Brief mit einem Absatz über den Schnee. Er fragte sie, ob ihr der Schnee fehle und wie die Winter ihrer Kindheit in Montana gewesen seien. Er fügte hinzu, dass der Schnee vor seinem Fenster dreißig Zentimeter hoch liege.
Er kam nicht umhin, ihr zu gestehen, dass er als ihr Anwalt tätig war. Als er in den Juristenjargon verfiel, ging ihm der Brief flott von der Hand. Er erklärte die Auseinandersetzung vor Gericht in so einfachen Worten, wie ihm das möglich war.
Dann erzählte er ihr von Pfarrer Phil, der Kirche und dem Kellerraum. Er lese in der Bibel, und es gefalle ihm gut. Er bete für sie.
Schließlich war der Brief drei Seiten lang, und Nate war recht stolz auf sich.
Er las ihn zweimal durch und befand ihn für wert, abgeschickt zu werden. Er war sicher, falls
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