Das Testament
Hark fort.
»Ohne zu sagen, dass das Gericht für Rachel Lane gar nicht zuständig ist, werden wir darauf drängen, dass die Sache sofort anhängig gemacht wird, und fechten das Testament mit allem Nachdruck an. Wenn weder die Frau noch die von ihr unterschriebenen Erklärungen auftauchen, kann das nur bedeuten, dass sie das Geld nicht will.«
»Das glaube ich im Leben nicht«, sagte Bright.
»Weil Sie Anwalt sind.«
»Und was sind Sie?«
» Dasselbe, aber nicht ganz so habgierig. Ob Sie es glauben oder nicht, Wally, es gibt Menschen auf dieser Welt, die nicht an Geld interessiert sind.«
»Vielleicht zwanzig«, sagte Yancy. »Und sie sind alle meine Mandanten.«
Ein leises Gelächter rund um den Tisch löste die Spannung.
Bevor man sich auf die folgende Woche vertagte, verpflichteten sich alle Anwesenden gegenseitig erneut zu strengstem Stillschweigen über alles, was gesagt worden war. Zwar war es jedem ernst damit, aber keiner traute dem anderen. Vor allem die Neuigkeit über Brasilien war ein heikler Punkt.
DREIUNDVIERZIG
Der große braune Umschlag trug außer der Adresse von World Tribes Missions in Houston in großen schwarzen Druckbuchstaben den Hinweis: Für Rachel Lane, Missionarin in Südamerika, persönlich und vertraulich.
Die für den Posteingang zuständige Angestellte betrachtete ihn eine Weile und schickte ihn dann ein Stockwerk höher zu einem Vorgesetzten. So gelangte er schließlich kurz vor Mittag, nachdem er Station nach Station durchlaufen hatte, immer noch ungeöffnet, auf Neva Colliers Schreibtisch. Ungläubig starrte die Koordinatorin der Missionen in Südamerika darauf: Soweit ihr bekannt war, wusste außer ihr niemand, dass Rachel Lane für ihre Missionsgesellschaft tätig war.
Offensichtlich hatten diejenigen, die den Brief weitergeleitet hatten, keinen Zusammenhang zwischen dem Namen auf dem Umschlag und jenem gesehen, der in jüngster Zeit immer wieder in den Nachrichten aufgetaucht war. Es war Montag morgen, und in den Büros war nicht viel los.
Neva schloss ihre Tür ab. Sie öffnete den Umschlag und fand darin einen Brief mit der Aufschrift: >An den zuständigen Sachbearbeiter sowie einen kleineren versiegelten Umschlag. Sie las den Brief laut, nach wie vor verblüfft, dass jemand auch nur in etwa wusste, wer Rachel Lane in Wahrheit war.
An den zuständigen Sachbearbeiter:
Anliegend übersende ich Ihnen einen Brief für Rachel Lane, die für Sie in Brasilien als Missionarin tätig ist. Bitte leiten Sie ihn ungeöffnet an sie weiter.
Ich habe Rachel vor etwa zwei Wochen im Pantanal gefunden, wo sie, wie Ihnen bekannt ist, seit elf Jahren bei einer Gruppe Ipicas lebt. Der Zweck meiner Suche war eine wichtige juristische Angelegenheit.
Zu Ihrer Information sei gesagt, dass es Rachel gut geht. Ich habe ihr versprochen, dass ich ihren Aufenthaltsort unter keinen Umständen irgend jemandem preisgeben werde. Sie möchte künftig nicht mehr mit juristischen Angelegenheiten belästigt werden, und ich habe mich ihrem Wunsch gefügt.
Sie braucht aber Geld für ein neues Boot mit einem Motor sowie zusätzliche Mittel für Medikamente. Ich bin gern bereit, Ihrer Organisation für diese Ausgaben einen Scheck zu übersenden, und bitte Sie, mir die nötigen Angaben zu machen.
Ich beabsichtige, Rachel auch künftig wieder zu schreiben, weiß allerdings nicht, auf welchem Weg sie ihre Post bekommt. Könnten Sie mir bitte bestätigen, dass Sie dieses Schreiben bekommen und meinen für Rachel bestimmten Brief weitergeleitet haben? Vielen Dank.
Unterschrieben hatte ein gewisser Nate O’Riley. Unten auf der Seite stand die Anschrift einer Anwaltskanzlei in Washington und eine Telefonnummer in St.
Michaels, Maryland.
Der Postverkehr mit Rachel verlief sehr einfach. Zweimal jährlich, und zwar jeweils am 1. März und 1. August, schickte die Missionsgesellschaft Pakete mit Medikamenten, Verbandsmaterial, christlicher Literatur und was Rachel sonst brauchte oder wünschen mochte, an das Postamt von Corumba. Man hatte sich mit der Postverwaltung darauf geeinigt, dass sie das jeweilige August-Paket einen Monat lang aufbewahrte und es nach Houston zurückschickte, wenn es in diesem Zeitraum nicht abgeholt würde. Das war bisher noch nicht geschehen. Jedes Jahr im August unternahm Rachel ihre Fahrt nach Corumba und rief in der Zentrale an, wobei sie Gelegenheit hatte, zehn Minuten lang Englisch zu sprechen. Dann holte sie ihre Postsendungen und kehrte zu den Ipicas zurück. Im März, nach
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