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Das Testament

Das Testament

Titel: Das Testament Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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Dorfplatz sehen. Er war verlassen, kein einziger Ipica ging umher. Keine Kinder spielten. Keine jungen Frauen fegten den Platz um die Hütten frei. Niemand kochte und wusch. Man hörte keinen Laut. Die einzige Bewegung kam vom aufsteigenden Rauch der Feuer.
    Dann sah er Gesichter in den Türöffnungen. Man beobachtete sie. Der Häuptling hielt sie von den Hütten fern, als litten sie an einer schlimmen ansteckenden Krankheit. Er schlug wieder einen anderen Pfad ein, der zwischen den Bäumen hindurchführte. Als sie auf eine Lichtung traten, befanden sie sich vor Rachels Hütte.
    Von Rachel war nichts zu sehen. Er führte sie seitwärts an der Tür vorbei. Dort sahen sie im tiefen Schatten der Bäume die Gräber.

    ZWEIUNDFÜNFZIG

    Die Indianer hatten sorgfältig vier weiße Holzstücke zurecht-geschnitzt, poliert und mit Ranken zu zwei völlig gleichen Kreuzen zusammengebunden. Sie waren klein, keine dreißig Zentimeter hoch, und steckten am unteren Ende beider Gräber in der frischen Erde. Nichts stand darauf, weder ein Name noch ein Hinweis auf den Zeitpunkt des Todes.
    Unter den Bäumen war es dunkel. Nate stellte seine Tasche auf den Boden zwischen den Gräbern und setzte sich darauf. Der Häuptling begann leise und rasch zu reden.
    »Die Frau liegt links, Lako rechts. Sie sind vor etwa zwei Wochen am selben Tag gestorben «, dolmetschte Jevy. Der Häuptling sprach weiter. »Seit unserer Abreise sind zehn Menschen an Malaria gestorben«, sagte Jevy.
    Der Häuptling sprach lange, ohne eine Pause zum Dolmetschen zu machen. Nate hörte die Worte, und doch hörte er nichts. Er sah auf den ordentlich angehäufelten und von geschälten Ästen umrandeten schwarzen Erdhügel zur Linken, der ein genaues Rechteck bildete. Dort lag Rachel Lane, der tapferste Mensch, dem er je begegnet war, denn sie hatte nicht die geringste Angst vor dem Tod gehabt. Im Gegenteil, sie hatte ihn willkommen geheißen. Sie hatte ihren Frieden gefunden. Endlich war ihre Seele bei ihrem Gott, und ihr Leib ruhte auf alle Zeiten inmitten der Menschen, die sie geliebt hatte.
    Neben ihr lag Lako, sein himmlischer Leib frei von jeglichem Makel und Leiden.
    Der Schock kam und ging. Ihr Tod war tragisch, und auch wieder nicht. Sie war keine junge Mutter und Gattin, die Angehörige hinterließ. Sie hatte keinen großen Kreis von Freunden, die zusammenkamen, um ihren Hingang zu betrauern. Nur eine Handvoll Menschen in ihrer Heimat würde je erfahren, dass sie nicht mehr lebte. Sie hatte als Fremde unter den Menschen gelebt, die sie begraben hatten.
    Er hatte sie gut genug gekannt, um zu wissen, dass sie nicht betrauert werden wollte. Tränen wären ihr nicht recht, und Nate konnte um sie auch keine vergießen. Eine Weile sah er ungläubig auf das Grab, dann aber meldete sich die Realität. Sie war keine alte Freundin, mit der er oft zusammengewesen war; er hatte sie kaum gekannt. Seine Gründe, sie zu finden, waren ausschließlich selbstsüchtiger Art gewesen. Er war in ihre Privatsphäre eingedrungen, und sie hatte ihn gebeten, nicht zurückzukehren.
    Trotzdem schmerzte es ihn, dass sie nicht mehr lebte. Er hatte jeden Tag, seit er das Pantanal verlassen hatte, an sie gedacht. Er hatte von ihr geträumt, ihre Berührung gespürt, ihre Stimme gehört, sich an ihre Weisheit erinnert. Sie hatte ihn beten gelehrt und ihm Hoffnung gegeben. Sie war in Jahrzehnten der erste Mensch gewesen, der Gutes in ihm erkannt hatte.
    Nie zuvor war er einem Menschen wie Rachel Lane begegnet, und er vermisste sie schmerzlich.
    Der Häuptling schwieg. »Er sagt, dass wir nicht lange bleiben können«, sagte Jevy.
    »Warum nicht?« fragte Nate, ohne den Blick von ihrem Grab zu nehmen.
    »Die Geister sagen, dass wir an der Malaria schuld sind. Die Krankheit ist gekommen, als wir zum ersten Mal hier waren. Die Indianer sind nicht glücklich, uns hier zu sehen.«
    »Sagen Sie ihm, dass seine Geister ein Haufen Clowns sind.«
    »Er möchte Ihnen etwas zeigen.«
    Langsam erhob sich Nate und sah den Häuptling an. Sie traten durch die Tür in Rachels Hütte, wobei sie den Kopf einziehen mussten. Der Boden bestand aus gestampfter Erde. Im vorderen der zwei Räume standen unglaublich primitive Möbel, ein Stuhl aus Zuckerrohr und Ranken und ein Sofa, dessen Beine Holzklötze waren und dessen Sitzkissen Strohbündel. Der hintere Raum hatte als Schlafzimmer und Küche gedient. Wie die Indianer hatte sie in einer Hängematte geschlafen.
    Darunter stand auf einem Tischchen eine

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