Das Testament
Sie war bei klarem Verstand und wusste, was sie tat. Seine Unterschrift ist amtlich beglaubigt, durch einen, wie sagen Sie noch -«
»Einen Notar.«
»Ja, einen Notar. Die zweite Person, hier unten, ist die Sekretärin des Anwalts.
Sie sagt, wie es aussieht, dasselbe. Der Notar beglaubigt auch ihre Unterschrift. Was hat das zu bedeuten?«
»Ich erkläre es Ihnen später.«
Sie traten in den Sonnenschein hinaus. Der Häuptling hatte die Arme vor der Brust verschränkt, seine Geduld schien fast am Ende zu sein. Nate nahm die Kamera aus der Tasche und machte Aufnahmen von der Hütte und den Gräbern. Er ließ Jevy das Testament halten und hockte sich neben Rachels Grab. Dann hielt Nate es, während Jevy Aufnahmen machte. Der Häuptling war nicht bereit, sich mit Nate zusammen fotografieren zu lassen, und hielt sich so fern wie möglich. Er knurrte etwas, und Jevy fürchtete einen möglichen Zornesausbruch.
Sie fanden den Pfad und gingen durch den Wald, mieden auch auf dem Rückweg das Dorf. Als die Bäume dichter wurden, blieb Nate stehen und wandte sich zu einem letzten Blick auf Rachels Hütte um. Am liebsten hätte er sie mitgenommen, sie irgendwie in die Vereinigten Staaten transportiert, um sie dort als Denkmal zu bewahren, damit die Millionen Menschen, die Rachels Hand spüren würden, einen Ort hatten, den sie aufsuchen und wo sie Dank sagen konnten. Auch ihr Grab hätte er am liebsten mitgenommen. Sie verdiente einen Tempel.
Das aber wäre das letzte gewesen, was sie gewollt hätte. Jevy und der Häuptling waren nicht mehr zu sehen, und so eilte Nate weiter.
Sie erreichten den Fluss, ohne jemanden anzustecken. Der Häuptling knurrte Jevy etwas zu, als sie ins Boot stiegen. »Er sagt, wir sollen nicht wiederkommen«, sagte Jevy.
»Sagen Sie ihm, dass er sich darüber keine Sorgen zu machen braucht.«
Wortlos warf Jevy den Motor an, und das Boot entfernte sich rückwärts vom Ufer.
Der Häuptling hatte sich bereits wieder auf den Weg zum Dorf gemacht. Nate fragte sich, ob er Rachel vermisste. Elf Jahre hatte sie dort zugebracht. Sie schien beträchtlichen Einfluss auf ihn gehabt zu haben, hatte ihn aber nicht zu bekehren vermocht. Betrauerte er ihr Dahinscheiden, oder war er erleichtert, dass seine Götter und Geister jetzt wieder freie Bahn hatten? Was würde aus den Ipicas werden, die zum Christentum übergetreten waren, jetzt, da Rachel nicht mehr bei ihnen war?
Er musste an die shalyuns denken, die Zauberheiler in den Dörfern, die Rachel das Leben schwergemacht hatten. Bestimmt feierten sie ihren Tod und setzten den von ihr Bekehrten zu. Sie hatte einen guten Kampf gekämpft, jetzt ruhte sie in Frieden.
Jevy stellte den Motor ab und steuerte das Boot mit einem Paddel. Die Strömung war langsam, das Wasser glatt. Vorsichtig klappte Nate die Parabolantenne des Satellitentelefons aus und stellte sie auf eine Bank. Der Himmel war klar, das Signal stark, und binnen zwei Minuten eilte Joshs Sekretärin auf der Suche nach ihrem Chef durch das Haus.
»Sag mir, dass sie das verdammte Stiftungsdokument unterschrieben hat, Nate«, waren Joshs ersten Worte. Er schrie sie ins Telefon.
»Du brauchst nicht zu schreien, Josh. Ich kann dich gut hören.«
»Tut mir leid. Sag mir, dass sie es unterschrieben hat.«
»Sie hat ein Stiftungsdokument unterschrieben, aber nicht unseres. Sie ist tot, Josh.«
»Nein!«
»Doch. Sie ist vor einigen Wochen an Malaria gestorben und hat ein eigenhändiges Testament hinterlassen, genau wie ihr Vater.«
»Hast du das?«
»Ja. Es ist in Sicherheit. Das ganze Vermögen fließt in eine Stiftung. Ich bin Treuhänder und Testamentsvollstrecker.«
»Ist das Testament gültig?«
»Ich glaube schon. Sie hat es handschriftlich abgefasst, unterschrieben und datiert. Ein Anwalt in Corumba und seine Sekretärin haben als Zeugen unterschrieben.«
»Sieht ganz so aus, als ob es gültig wäre.«
»Und was passiert jetzt?« fragte Nate. Er sah Josh vor sich, wie er am Schreibtisch stand, die Augen konzentriert geschlossen hatte, mit einer Hand den Telefonhörer hielt und sich mit der anderen Hand über das Haar strich. Er konnte ihn beinahe über das Telefon Pläne schmieden hören.
»Nichts passiert. Troys Testament ist gültig. Es wird Punkt für Punkt ausgeführt, was er festgesetzt hat.«
»Aber sie ist tot.«
»Sein Nachlass wird dem ihren zugeschlagen. So was kommt jeden Tag vor, wenn bei einem Autounfall ein Ehepartner heute und der andere einen Tag später
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