Das Teufelskind
eins.
Sheila!
Sie hatte wohl den schwersten Schock von uns erlitten. Sie machte einen abwesenden, gleichzeitig allerdings entschlossenen Eindruck Ich hatte das Gefühl, daß sie sich nicht zurückhalten würde und mit uns kam. Bill Conollys Gesicht blieb ausdrucklos. Als sich unsere Blicke begegneten, senkte er die Augenlider. Er wollte nichts entscheiden, wahrscheinlich war ihm alles ein wenig unheimlich. An mir blieb schließlich alles hängen.
»Wie machen wir es?« fragte ich. »Mit zwei Wagen müssen wir auf jeden Fall fahren.«
»Und ich bin dabei!« sagte Sheila.
Ich schaute sie an. Ein Gegenargument lag mir auf der Zunge. Ich öffnete bereits den Mund, wollte es auch sagen, dann sah ich Sheilas Gesicht und ließ es bleiben. Nein, es hatte keinen Sinn. Wenn wir Sheila nicht mitnahmen, würde sie - und das wußten wir genau - es auf eigene Faust versuchen, denn das Ziel kannte sie. Ashdown Forest hatte sie oft genug gehört, und mir blieb nichts anderes übrig als die Schultern zu heben.
»All right, Sheila. Du kannst mit. Allerdings…«
»Ich mache keine Konzessionen, John!« erklärte sie mit fester Stimme.
»Das ist mein Sohn. Es geht um sein Leben, und ich als Mutter muß dabeisein.«
Sie hatte natürlich recht. Gleichzeitig wußte ich auch, daß es sehr gefährlich werden konnte. Wenn das unheimliche Teufelsfest in den Gemäuern der verfallenen Burg stattfinden sollte, war es allein schon ein Problem, die Insel zu erreichen, denn wir besaßen keine Boote. Zudem blieb uns nicht die Zeit, rasch welche aufzutreiben. Schließlich wollten wir auch ungesehen so nahe wie möglich an unser Ziel herankommen, um einen überraschten Angriff starten zu können.
Über all diese Dinge sagte ich Sheila nichts. Sie hätten ihren Entschluß auch nicht beeinträchtigt, das war mir längst klar, deshalb nickte ich.
»Fahren wir?« fragte Suko.
»Ja!«
Wir verteilten uns auf zwei Wagen. Und jemand fuhr mit, ohne daß er gefragt worden wäre. Nadine Berger, die Wölfin…
***
Martha Sidomas lernte es schnell, mit dem Ruder umzugehen. So kamen die beiden Hexenfrauen mit ihrer makabren Last sehr rasch voran und überwanden die Strecke zwischen Ufer und Insel. Als der Kiel schließlich auf Grund lief, mußte Martha die Ruder loslassen und aus dem Boot klettern. Sie lief ein paar Schritte durch das flache Wasser, nahm die Leine in beide Hände, stemmte sich gegen den sumpfigen Boden und zog das Boot auf das Ufer. Jetzt half ihr auch Jane Collins dabei. Sie hatte den Kahn ebenfalls verlassen, stand im Wasser und schob am Heck.
Gemeinsam zerrten sie das Boot durch den Schilfgürtel. Erst als es sicher auf dem Trockenen lag luden sie den weißen Kindersarg aus und stellten ihn neben dem Kahn ab.
Jane Collins hatte den Nebel schon wesentlich dichter erlebt. Vor einigen Monaten, als sie in der Maske des schwarzen Henkers erschienen war. Da hatte man vom Rand der Insel die Mauern der halb verfallenen Burg nicht einmal erkennen können.
Jetzt war es anders.
Zwar trieben auch hier Nebelschleier über die Insel, doch längst nicht so dick wie damals. Sie wirkten wie ein zartes Gewebe und waren auch durchsichtig so daß Jane und Martha die Mauern der alten Burg sogar ziemlich deutlich sahen.
Nichts wies darauf hin, daß sich dort jemand aufhielt. Alles sah tot aus, schlafend, vor sich hin modernd.
Jane schaute Martha an. »Du bleibst hier am Sarg. Ich werde nachschauen.«
»Wo willst du hin?«
»In das Gemäuer.«
Martha hob die Schultern. Jane merkte ihr an, daß sie gern mitgegangen wäre, doch das wollte sie auf keinen Fall. Die Frau sollte am Boot bleiben.
Um Janes Lippen zuckte ein Lächeln, als sie den direkten Weg zum Ziel einschlug. Ihre Hexenschwestern, sofern sie eingetroffen waren, verhielten sich ausgezeichnet. Nichts wies darauf hin, daß sie sich auf dieser Insel versammelt hatten.
Aber sie waren da, Jane wußte es.
Es lag eine Atmosphäre über der Insel, die wohl nur derjenige spüren konnte, dessen Seele selbst dem Bösen geweiht war. Hier konnten sich die Diener des Teufels wohl fühlen, denn hier herrschten die Gesetze der Hölle. Eine finstere Magie lag wie ein gewaltiges Tuch über der Insel. Sie hatte sich ausgebreitet, um den Hort des Satans zu schützen. Jane Collins empfand diese Atmosphäre als angenehm. Sie näherte sich ihrem Ziel wie ein Schatten. Obwohl sie sich unter ihresgleichen wähnte, sorgte sie dennoch dafür, daß man ihre Schritte kaum hörte. Sie ging sehr leise, manchmal
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