Das Teufelslabyrinth
fiel zurück in die Mülltonne und vergrub sich augenblicklich in der stinkenden, verrottenden Masse auf dem Boden der Tonne. Doch bevor die letzten Maden entkommen konnten, wurde Sofia vom Hunger übermannt. Sie hob ihre Hand an den Mund und leckte die letzten Maden auf.
Sie spürte sie auf ihrer Zunge, spürte, wie sie sich an ihrem Gaumen ringelten.
Dann begann sie zu kauen. Und während die Maden unter dem Druck ihrer Zähne zerplatzten, breitete sich ein herrlich süßer Geschmack in ihrem Mund aus.
Wieder langte sie in die Tonne, schaufelte noch eine Handvoll dieses Getiers, vermischt mit verfaulten Innereien, in ihren Mund und winselte leise, während sie genüsslich kaute und schluckte.
Eine weitere Handvoll folgte, und noch eine.
Sie konnte die Maden in ihrem Bauch spüren, wie sie schlängelnd und ringelnd ausschwärmten und nicht nur ihren Magen füllten, sondern jede Zelle ihres Körpers. Ihre Haut prickelte, Sofia spürte die Maden überall, in ihrem Inneren, unter ihrer Haut, und sie verliehen ihr eine Kraft und eine Stärke, die sie so noch nie empfunden hatte.
Und als sie sich abermals in die Tonne beugte, hörte sie jemanden ihren Namen rufen.
Eilig wischte sie sich mit dem Handrücken Maden und stinkende Fleischfetzen von Lippen und Kinn, rieb sich die Hände an ihrer Schürze sauber und schluckte den Rest ihres Festmahls hinunter, bevor sie sich dann umdrehte, um zu sehen, wer sie gerufen hatte.
Es war Ryan McIntyre, der in der offenen Küchentür stand.
»Sofia?«, fragte er, als sei er sich nicht sicher, ob sie es wirklich war. »Ich bin auf der Suche nach Melody.«
»Hier ist sie nicht«, erwiderte Sofia mit seltsam rauer Stimme und wischte sich noch einmal mit dem Saum ihrer Schürze übers Kinn.
Ryan legte verwundert den Kopf schräg. »Hast du sie irgendwo gesehen?«
Sofia zuckte mit den Achseln. »Pater Sebastian wollte sie sprechen«, sagte sie und hob den schweren Müllsack hoch.
»Warte, ich helfe dir«, erbot sich Ryan und nahm ihr den Sack ab. Doch bevor er ihn in die Tonne warf, fiel sein Blick auf die schleimige Masse auf dem Boden der Tonne, und er wich unwillkürlich vor dem durchdringenden Gestank zurück. Er schüttelte sich und ließ den Sack auf die umherwimmelnden Maden fallen. »Igitt, das ist ja ekelhaft.«
Sofia zuckte nur mit den Schultern.
»Na schön, wenn du sie siehst, sag ihr bitte, sie soll mich anrufen, ja?«, bat Ryan Sofia und klappte schnell den Deckel der Mülltonne zu.
Sofia nickte bloß, drehte sich um und verschwand wieder in der Küche.
Ryan schaute ihr verwundert nach. Was ging hier vor sich? Es sah fast so aus, als hätte sie aus der Mülltonne gegessen. Aber das war natürlich Unsinn. Nach dem kurzen Blick auf die sich kringelnde Masse von Maden inmitten verfaulter Fleischreste musste er kräftig gegen den Brechreiz anschlucken, der ihn immer wieder würgen ließ. Und erst dieser widerliche Gestank …
Er erschauderte.
Nein, er musste sich getäuscht haben - sie konnte unmöglich getan haben, was er zu sehen geglaubt hatte. Das konnte nur eine unglückliche Lichtspiegelung oder etwas in der Art gewesen sein. Doch sich einzureden, dass er sich geirrt haben musste, half ihm nur wenig beim Kampf gegen seine Übelkeit. Er musste seine Aufmerksamkeit von dem Gesehenen auf das Gehörte lenken.
Pater Sebastian hatte Melody sprechen wollen.
An einem Samstag. Warum?
Nachdenklich verließ Ryan den kleinen Innenhof, wo die Mülltonnen standen, und schlenderte durch die schmale Gasse hinaus auf die Straße. Als er den Gehsteig erreichte, blieb er stehen und starrte mit leerem Blick auf die Reihe von Backsteinbauten auf der anderen Seite des Louisburg Square, während er an Dienstagabend dachte, als Pater Sebastian Sofia wegen des lächerlichen Gefummels mit Darren Bender hatte sprechen wollen.
An diesem Abend hatte man sie auf die Krankenstation bringen müssen, und sie war so … Er suchte nach dem richtigen Ausdruck, und nur einer traf die Sache genau.
… so merkwürdig gewesen.
Ja, seither war Sofia ständig so merkwürdig.
Er überquerte die Straße, ging hinüber auf den Platz und setzte sich dort auf eine der Bänke. In der anbrechenden Dunkelheit warfen die Straßenlaternen seltsame Schatten um ihn herum.
Könnte das, was Sofia passiert war, auch Melody widerfahren sein?
Könnte Melody auf der Krankenstation liegen?
Von einer bösen Vorahnung ergriffen, stand Ryan auf, verließ den Platz, überquerte wieder die Straße und ging
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