Das Teufelslabyrinth
schmale Mauernische und hielt die Luft an, bis die beiden an ihm vorbeigegangen waren.
Doch als er kurz darauf heraustrat, stolperte er auf dem unebenen Boden und kickte mit der Schuhspitze einen Stein los, der gegen die Mauer prallte.
Augenblicklich wirbelte Pater Sebastian herum.
Der Lichtkegel seiner Taschenlampe traf Ryan mitten ins Gesicht.
44
Der Papst beugte sich näher an den Computermonitor heran, um auch nicht die kleinste Nuance der Bewegungen des blonden Mädchens zu verpassen. Obwohl er in den vierzig Jahren im Vatikan kaum etwas von seiner Sehschärfe verloren hatte, bedauerte er es, dass es keine Möglichkeit gab, den Videoclip auf einer größeren Leinwand anzusehen.
Als hätte er die Gedanken des Pontifex gelesen, nickte Kardinal Morisco in Richtung des großen Plasma-Bildschirms, der recht unpassend zwischen zwei Porträts aus
dem 16. Jahrhundert hing, die zwei Vorgänger des gegenwärtigen Papstes darstellten. »Vielleicht sollte ich den Computer an den großen Bildschirm anschließen …«, überlegte er laut, woraufhin Seine Heiligkeit zustimmend nickte.
Ungeduldig wartete der Papst, dass Morisco die Kabel richtig ansteckte und das Video wieder ablief.
Viel zu schnell war es zu Ende.
»Ich möchte es noch einmal sehen«, verlangte er.
Morisco tippte kurz auf der Tastatur des Laptops herum, und das Video begann zum vierten Mal, lief zum zweiten Mal auf dem großen Bildschirm.
Gebannt verfolgte der Papst das Geschehen. Der jüngere Priester, der sich in den uralten Riten auskannte, schien wirklich genau zu wissen, was er tat.
Und er schien ebenfalls genau zu wissen, welche Fakten der Papst sehen musste, um davon überzeugt zu sein, dass der junge Priester absolute Kontrolle über das Böse in dem Mädchen hatte. Und was der Papst sah, war ein Priester, der mit dem Dämon spielte wie ein Puppenspieler mit seiner Marionette, ihn nach seinem Willen hervorlockte und verschwinden ließ, ihn benannte, zu sich rief und wieder wegschickte, ein Hin und Zurück, wie bei Wellen an einem Strand.
Aber hier ging es nicht um einen Strand, hier ging es um die Seele dieses Mädchens, die ein Dämon in Besitz genommen hatte, und jede seiner Quälereien spiegelte sich im Gesicht dieses armen Kindes, dessen Mienenspiel sich von unschuldiger Schönheit zur unverkennbaren Fratze des Teufels wandelte, um gleich wieder diesen makellos reinen Ausdruck anzunehmen, sobald der Priester den Dämon in seine Schranken wies.
Das passierte wieder und wieder, folgte einem beinahe hypnotisierenden Rhythmus.
»Ton!«, flüsterte der Papst. »Ich will Ton!«
»Es tut mir leid, Eure Heiligkeit«, sagte Morisco, als der Clip wieder zum Ende gekommen war. »Es gibt keinen Ton.«
»Ich möchte das Video noch einmal sehen.«
Diesmal beobachtete der Papst die Gesichter derer, die dem Ritual beiwohnten: die alte Nonne, der ältliche Priester und der junge, dunkelhaarige, der den Exorzismus vornahm.
Es waren dieselben drei Personen, die er in dem vorangegangenen Video gesehen hatte - das mit dem dunkelhaarigen Mädchen -, und er war davon überzeugt, dass ihre Mienen authentisch waren.
Aufrichtige Spannung, als das Ritual begann.
Aufrichtiges Entsetzen, als der Dämon sein Gesicht offenbarte.
Aufrichtige Angst, als der junge Priester um die Kontrolle über den Dämon rang.
Und, am allerwichtigsten, aufrichtige Erleichterung, als das Böse bezwungen war.
Das waren keine Schauspieler. Der Papst hatte eigenhändig die Akten dieser Diener im Dienste der Kirche studiert und war zu dem Schluss gekommen, dass ihre lebenslange Hingabe an Jesus Christus nicht infrage gestellt werden konnte.
Darüber hinaus war da das Antlitz des Satans gewesen. Der Papst hatte es schon früher gesehen, zu viele Male, und es augenblicklich wiedererkannt. Diese Niederträchtigkeit war unverwechselbar, und es war ausgeschlossen, dass hier die Anwesenheit eines Dämons vorgespiegelt wurde.
Ja, dieser junge Priester wusste, was er tat: Er war tatsächlich imstande, den Teufel in der Seele einer Unschuldigen heraufzubeschwören.
»Das muss ich mir mit eigenen Augen ansehen«, sagte der Papst schließlich, an Morisco gewandt. »Wir werden nach Boston reisen.«
45
In Boston begann es leicht zu regnen, aber das bemerkte Matt McCain kaum. Gedankenverloren lümmelte er auf dem Beifahrersitz, während sein Partner den Streifenwagen durch den zähen Spätabendverkehr steuerte. »Sag mal, kommt dir bei diesem Bruch nicht auch irgendwas spanisch
Weitere Kostenlose Bücher