Das Teufelslabyrinth
schien er durch diesen verdammten Gang zu laufen, in dem es so stockdunkel war, dass Ryan bereits Dinge zu sehen begann, die es dort gar nicht geben konnte.
Winzige Lichter blinzelten ihm zu, die stets verloschen, wenn er sich nach ihnen umdrehte. Er spürte, wie Dinge ihn in der Dunkelheit streiften, die er sich gar nicht erst vorstellen, geschweige denn sehen wollte.
Die Angst hatte ihn schon längst wieder fest im Griff, als Melody erneut stehen blieb.
»Okay«, flüsterte sie. »Wir sind da. Gleich hier links gibt es ein paar Stufen, und oben ist dann die Hintertür der Krankenstation.«
Es kostete Ryan einige Überwindung, nicht an Melody vorbei nach oben zu preschen, sondern seine Panik im Zaum zu halten und Melody vorausgehen zu lassen.
Und gerade als er den Fuß hob, um die erste Stufe hinaufzusteigen, hörten sie wieder ein Geräusch. Ein anderes diesmal.
Einen Schritt!
Und noch einen!
Dann mehrere. Die Schritte gehörten nicht zu einer Person, sondern mindestens zu zweien.
Und sie kamen direkt auf sie zu.
Melody blieb einen Moment wie erstarrt stehen und rückte dann so nah an Ryan heran, bis ihre Lippen beinahe sein Ohr berührten. »Komm mit und drück dich ganz flach an die Mauer«, flüsterte sie so leise, dass er
sie kaum verstehen konnte, und schon im nächsten Moment zog sie ihn tiefer in die undurchdringlichen Schatten hinein. Das Herz klopfte Ryan bis zum Hals, und er hielt die Luft an, hatte Angst, dass ihn der leiseste Atemzug verraten könnte. Er presste sich ganz dicht an die Mauer, Melody stand neben ihm und hielt seine Hand fest.
Sie warteten.
Die Schritte kamen immer näher, so nahe, dass Ryan fürchtete, dass wer auch immer da auf sie zu kam, direkt in sie hineinlaufen könnte.
Und schon glaubte Ryan die Anwesenheit der Leute zu fühlen, die sich da in der pechschwarzen Dunkelheit auf sie zu bewegten.
Er wappnete sich für das Zusammentreffen und wartete.
Und dann, im allerletzten Moment, verstummten die Schritte.
Ryan stand da wie zur Salzsäule erstarrt. Hatte man sie gehört? Hatte irgendein winziger Laut sie verraten? Er wartete, rechnete damit, dass jeden Moment eine Taschenlampe aufblitzte und ihn bloßstellte.
Ihn und auch Melody.
Sie hatten keine Chance - man würde sie ertappen.
Und er konnte nichts dagegen tun.
Im Stillen begann Ryan zu beten.
Und hörte wieder die Schritte.
Die sich aber nicht mehr weiter in ihre Richtung bewegten. Nein! Die Leute gingen nach oben, stiegen die Treppe hinauf, die sie selbst hatten nehmen wollen!
Ryans Herz raste immer noch, aber er bekam wieder Luft. Im nächsten Moment erhellte ein Lichtschein den Treppenhausschacht. Wie eine Motte, die sich vom Licht
anlocken lässt, schlich Ryan zum Fuß der Treppe. Und Melody, die immer noch seine Hand umklammerte, hielt sich so dicht hinter ihm, dass er ihren warmen Atem im Nacken spürte.
Kurz vor der Treppe blieb Ryan stehen und lauschte. Die Schritte waren noch zu hören, aber nur noch ganz gedämpft, und nach einem Blick nach oben verstand Ryan auch den Grund dafür. Die Stufen führten um einen Schacht herum, und die Leute, die sie emporstiegen, befanden sich gerade auf dessen Rückseite.
Ryan überlegte fieberhaft. Sie hatten zwei Möglichkeiten: Entweder gingen sie den gleichen Weg wieder zurück, was bedeutete, noch einmal durch pechschwarze Dunkelheit zu tappen, oder sie schlichen sich die Treppe hinauf nach oben, wo es auch einen Weg zurück zu ihren Zimmern gab und wo sich vielleicht die Gelegenheit bot, herauszufinden, wer außer ihnen an diesem Abend noch in den unterirdischen Gängen unterwegs gewesen war.
Der Gedanke an die Dunkelheit und an diese lähmende Klaustrophobie, die ihn da unten gepackt hatte, machte ihm die Entscheidung leicht. Als die Schritte sich weit genug entfernt hatten, stiegen Ryan und Melody leise die Treppe hinauf.
Nach zwei Biegungen erreichten sie den Treppenabsatz im Erdgeschoss. Eine Tür - sie war unverschlossen - führte in einen breiten Flur, an dessen Ende sich eine dieser altmodischen Flügeltüren mit Glaseinsätzen und einem Schloss befand, das sich nur von außen verriegeln ließ. Und durch die Glasscheiben konnte Ryan den großen Innenhof der Schule sehen.
Sie waren in Sicherheit.
Die Leute weiter oben waren stehen geblieben, und jetzt hörten sie gedämpfte Stimmen. Die Worte selbst waren
nicht zu verstehen, aber die eine Stimme klang irgendwie besorgt, die andere ungeduldig.
Melody war bereits an Ryan vorbeigeschlichen, hielt
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