Das Teufelsspiel
aufgedrehten Wasserhahn, Stimmen. Darunter auch Kinder.«
»Verdammt«, murmelte Haumann.
»Vielleicht war’s der Fernseher oder das Radio. Ich kann es nicht mit Bestimmtheit sagen.«
Haumann nickte. »Einsatzleiter an Überwachungsteam zwei. Bericht.«
»Hier Team zwei. Ein kleiner Spalt neben der Jalousie – leider wenig ergiebig. Ich kann im hinteren Schlafzimmer niemanden entdecken, aber das Blickfeld ist sehr schmal. Vorn brennt Licht. Ich höre Stimmen. Und Musik. Kommen.«
»Sehen Sie Kinderspielzeug oder irgendwas anderes?«
»Negativ. Aber ich kann lediglich einen Zehngradwinkel des Schlafzimmers überblicken. Das ist alles. Kommen.«
»Bewegt sich was?«
»Negativ. Kommen.«
»Roger. Infrarot?« Mit den Infrarotsensoren ließen sich Tiere, Menschen oder andere Wärmequellen im Innern eines Gebäudes lokalisieren.
Ein weiterer Techniker saß vor dem Monitor des Geräts. »Ich erhalte Wärmeanzeigen, aber sie sind zu schwach, um die Quelle genau festlegen zu können. Kommen.«
»Geräusche? Kommen.«
»Es knarrt und ächzt. Könnte das Gebäude sein, irgendein Gerät oder eine Starkstromleitung. Oder er läuft herum oder verlagert auf einem Stuhl sein Gewicht. Ich nehme an, dass er da ist, aber den genauen Ort kann ich nicht ermitteln. Er hat die Bude wirklich gründlich verdunkelt. Kommen.«
»Okay. Die Überwachungsteams bleiben am Ball. Ende.«
»Rhyme, hast du das mitbekommen?«, fragte Sachs in ihr Mikrofon.
»Wie sollte ich wohl?«, entgegnete er verärgert.
»In der Wohnung tut sich was.«
»Jetzt bloß keine Schießerei«, murmelte er. Ein Feuergefecht war eine der effektivsten Methoden, um Partikel und andere Spuren an einem Tatort zu vernichten. »Wir müssen möglichst viele Beweise sichern – es könnte unsere einzige Chance sein, mehr über seinen Auftraggeber und seinen Partner herauszufinden.«
Haumann blickte erneut zu dem Apartment. Er wirkte wenig begeistert. Und Sachs – die sich dem Sondereinsatzkommando halb zugehörig fühlte – konnte ihn gut verstehen. Es würde ein schwieriger Zugriff werden, der zahlreiche Beamte erforderte. Die Wohnung des Täters hatte insgesamt elf Fenster – zwei nach vorn, drei nach hinten und sechs zu den Seiten. Boyd konnte jedes davon als Fluchtweg nutzen. In nur einem Meter zwanzig Abstand befand sich zudem ein Nachbargebäude – falls der Täter es bis auf das Dach schaffte, würde er problemlos hinüberspringen können. Dort oben wäre er durch die Brüstung geschützt und könnte jeden, der sich von unten näherte, ins Visier nehmen. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite standen ebenfalls Wohnhäuser. Bei einem Schusswechsel konnte eine verirrte Kugel einen Unbeteiligten verletzen oder töten. Oder Boyd schoss absichtlich auf die Häuser, um eine Panik zu verursachen. Sachs musste daran denken, wie rücksichtslos er Unschuldige opferte, nur um für Ablenkung zu sorgen. Warum sollte er sich in dieser Situation anders verhalten? Sie würden all die Gebäude evakuieren müssen, bevor sie zuschlugen.
»Einer von uns ist im Treppenhaus«, meldete Haumann über Funk weiter. »Im Gegensatz zur Elizabeth Street hat Boyd hier keine Kameras installiert. Er wird nicht wissen, dass wir kommen.« Er lachte humorlos auf. »Es sei denn, er hat sich was anderes ausgedacht. Was bei diesem Drecksack durchaus der Fall sein könnte.«
Sachs hörte neben sich jemanden atmen und wandte den Kopf. Dort stand Lon Sellitto in seiner kugelsicheren Weste, hatte eine Hand geistesabwesend auf den Griff seines Dienstrevolvers gelegt und musterte die Wohnung. Auch er schien besorgt zu sein, aber Sachs erkannte sofort, dass er dabei nicht an den komplizierten Einsatz dachte. Sie sah ihm an, wie sehr er mit sich kämpfte. Für ihn als ranghohen Detective bestand eigentlich keine Veranlassung, in vorderster Linie an einem Zugriff teilzunehmen – angesichts seiner korpulenten Statur und der wenig beeindruckenden Schießkünste gab es sogar jede Menge Gründe, die ausdrücklich dagegen sprachen.
Aber seine Anwesenheit hatte nichts mit Logik zu tun. Sachs sah, wie er schon wieder unwillkürlich die Hand an die Wange hob und sich den unsichtbaren Blutfleck rieb. Sie wusste, dass er noch einmal durchlebte, wie er am Vortag versehentlich seine Waffe abgefeuert hatte und wie Dr. Barry direkt vor seinen Augen erschossen worden war. Lon Sellitto musste nun mit harten Bandagen kämpfen.
Der Ausdruck stammte von Amelias Vater, der als Streifenpolizist unzählige Male
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