Das Teufelsspiel
Deshalb glaube ich, dass seine Muttersprache Arabisch ist.«
»Arabisch?«
»Ich würde sagen, mit neunzig Prozent Wahrscheinlichkeit. Es gibt im Arabischen eine Genitivkonstruktion namens I.daafah. Um den Besitz anzuzeigen, sagt man dort normalerweise ›das Auto John‹, was bedeutet ›das Auto von John‹. Oder in deinem Text die ›Pläne von mir‹. Aber die Regeln der arabischen Grammatik erfordern, dass das im Besitz befindliche Ding mit nur einem Wort bezeichnet wird wie man sieht, glaubt der Verfasser fälschlicherweise, ›Liefer Wagen‹ seien zwei Wörter; das funktioniert im Arabischen nicht, und er kann daher keine I.daafah -Konstruktion verwenden. Er weicht aus auf ›meine Liefer Wagen‹, was eine gewisse Konsequenz hat, mal abgesehen von der Rechtschreibung. Der andere Hinweis ist die falsche Verwendung der unbestimmten Artikel. Der Verfasser schreibt ›eine schwarze Mädchen‹ statt ›ein schwarzes Mädchen‹ und ›in eine Gasse‹ statt ›in einer Gasse‹. Das kommt bei arabischen Muttersprachlern häufig vor, weil sie von Haus aus keine unbestimmten Artikel kennen, kein ›ein, eine, eines‹, sondern nur einen bestimmten Artikel.« Kincaid lachte auf. »Das gilt zwar auch für Waliser, aber ich glaube nicht, dass dieser Kerl aus Cardiff stammt.«
»Gut, Parker«, sagte Sachs. »Sehr spitzfindig, aber gut.«
Er lachte erneut. »Ich kann Ihnen versichern, Amelia, dass alle in unserer Branche sich seit einigen Jahren ziemlich intensiv mit dem Arabischen befassen.«
»Deshalb hältst du ihn auch für einen Mann«, sagte Rhyme.
»Wie viele arabische Täterinnen gibt es?«
»Nicht viele … Sonst noch etwas?«
»Falls du mir weitere Proben bringst, kann ich dir eine Vergleichsanalyse liefern.«
»Wir kommen vielleicht darauf zurück.« Rhyme bedankte sich, und sie beendeten das Gespräch. Dann starrte er kopfschüttelnd auf die Wandtafel und lächelte spöttisch.
»Was denkst du, Rhyme?«
»Du weißt, was er vorhat, nicht wahr?«, fragte der Kriminalist mit finsterer Miene.
Sachs nickte. »Er will die Edelsteinbörse nicht ausrauben, sondern in die Luft sprengen.«
»Ja.«
»Natürlich«, sagte Dellray. »Das passt zu den Berichten über geplante terroristische Anschläge auf israelische Ziele.«
»Der Wachmann gegenüber dem Museum hat erzählt, sie würden jeden Tag Lieferungen aus Jerusalem erhalten«, sagte Sachs. »Okay, ich lasse die Börse evakuieren und durchsuchen.« Sie nahm ihr Mobiltelefon.
Rhyme wandte sich an Sellitto und Cooper. »Falafel und Joghurt … und ein Lieferwagen. Findet heraus, ob es in der Nähe der Börse Restaurants mit arabischer Küche gibt und von wem sie zu welchen Zeiten beliefert werden. Und was für ein Fahrzeug die Lieferanten benutzen.«
Dellray schüttelte den Kopf. »Das Zeug wird in der halben Stadt gegessen. Gyros und Falafel kriegt man an jeder Ecke und …« Der Agent hielt inne und sah Rhyme an.
»Ein Verkaufsstand!«
»Gestern beim Museum gab es ein halbes Dutzend davon«, sagte Sellitto.
»Perfekt für eine Überwachung«, sagte Rhyme. »Und eine erstklassige Tarnung. Er liefert jeden Tag Vorräte an, also achtet niemand auf ihn. Ich möchte wissen, von wem die Straßenverkäufer beliefert werden. Beeilt euch!«
Das Gesundheitsamt teilte ihnen mit, dass die Stände in der Umgebung der Edelsteinbörse von lediglich zwei Firmen mit arabischen Lebensmitteln versorgt wurden. Die größere der beiden gehörte ironischerweise zwei jüdischen Brüdern. Sie hatten nicht nur Angehörige in Israel, sondern engagierten sich zudem in ihrer Synagoge; als Verdächtige schieden sie aus.
Die andere Firma besaß keine eigenen Stände, belieferte in Midtown aber mehrere Dutzend von ihnen mit Gyros, Kebab und Falafel sowie Gewürzen und Erfrischungsgetränken (und den heidnischen, aber stets einträglichen Hotdogs). Die Zentrale des Unternehmens war ein Restaurant und Feinkostladen an der Broad Street, dessen Eigentümer einen Mann damit beauftragt hatten, die Lieferungen in der ganzen Stadt vorzunehmen.
Sobald Dellray und ein Dutzend weiterer Agenten und Cops um sie herumstanden, wurden diese Eigentümer überaus – beinahe tränenreich – hilfsbereit. Ihr Ausfahrer hieß Bani al-Dahab und war ein saudi-arabischer Staatsbürger mit längst abgelaufenem Visum. Er stammte aus Djidda, hatte als Ingenieur in den USA gearbeitet und später als Illegaler alle erdenklichen Jobs angenommen – unter anderem als Koch und als Lieferant für
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