Das Teufelsspiel
obwohl die Arbeiten noch sechs Monate dauern würden.
Er bog auf eine belebte Geschäftsstraße ein und musterte die Läden. Was er wollte, war nicht dabei. Der Banker setzte die Suche fort seine letzte Aufgabe an diesem, gelinde gesagt, hektischen Nachmittag. Von der Sanford-Stiftung war er zu seinem Wochenendhaus in New Jersey gerast. Dort hatte er den Waffenschrank aufgeschlossen, die Schrotflinte herausgenommen und an der Werkbank in der Garage den Doppellauf abgesägt – was sich als überraschend schwierig erwies und ihn ein halbes Dutzend Blätter für die elektrische Säge kostete. Danach war die Waffe nur noch einen knappen halben Meter lang. Als er die abgesägten Läufe in den Teich hinter dem Haus warf, hielt der Banker inne, schaute sich um und dachte daran, dass seine älteste Tochter hier auf diesem Anleger heiraten würde, sobald sie nächstes Jahr ihr Studium am Vassar College abgeschlossen hatte.
Er blieb eine Weile dort und betrachtete die Sonne, die sich im kalten blauen Wasser spiegelte. Dann lud er das Gewehr und verstaute es samt einem Dutzend Reservepatronen in einem Karton unter einigen alten Büchern, Zeitungen und Zeitschriften. Bessere Requisiten waren nicht nötig; der Professor und Geneva würden nicht lange genug überleben, um einen Blick in die Kiste zu werfen.
Nachdem er sich eine schlichte Hose und ein nicht dazu passendes Sakko angezogen, das Haar mit Gel zurückgekämmt und eine billige Lesebrille aus der Drogerie aufgesetzt hatte – was ihm als bestmögliche Verkleidung erschien –, war Ashberry über die George Washington Bridge nach Harlem gefahren, wo er nun nach dem letzten noch fehlenden Utensil Ausschau hielt.
Ah, dort …
Der Banker parkte und stieg aus. Dann ging er zu dem Stand der Nation of Islam und erwarb eine Kappe, wie sie bei vielen Moslems beliebt war. Der Verkäufer verzog keine Miene. Ashberry, der bereits Handschuhe trug (noch mal danke, Thompson), nahm die Kopfbedeckung entgegen und kehrte zum Auto zurück. Als niemand hinsah, bückte er sich und rieb mit der Kappe über den Boden vor einer Telefonzelle, wo im Laufe des Tages vermutlich eine Menge Leute gestanden hatten. Der Stoff sollte Partikel und andere Spuren aufnehmen – am besten ein oder zwei Haare – und später die Polizei noch weiter in die Irre führen, was den terroristischen Hintergrund betraf. Mit der Innenseite der Kappe rieb Ashberry über die Sprechmuschel des Telefonhörers, damit Speichel und Schweiß für DNS-Analysen vorhanden sein würden. Er warf die Mütze zu der Flinte und den Büchern in den Karton, stieg wieder ein und fuhr zum Morningside Park, auf den Campus der Universität.
Dort suchte er das alte Fakultätsgebäude, in dem Mathers’ Büro untergebracht war. Vor dem Haus stand ein Streifenwagen. Am Steuer saß ein Beamter und behielt die Straße im Auge. Das musste der Bewacher des Mädchens sein.
Kein Problem, dachte Ashberry. Er hatte schon schwierigere Situationen gemeistert – sowohl auf den Straßen im Süden Philadelphias als auch in den Sitzungssälen der Wall Street. Das Überraschungsmoment war auf seiner Seite. Wer das Unerwartete tat, konnte Erstaunliches vollbringen.
Er fuhr weiter, wendete und parkte hinter dem Gebäude, sodass sein Wagen vor Blicken geschützt war und für die spätere Flucht schon in Richtung des Highway wies. Dann stieg er aus und sah sich um. Ja, das könnte funktionieren. Er würde sich dem Eingang von der Seite nähern und dann schnell hineinhuschen, sobald der Cop wegschaute.
Und was die Flucht anging … es gab eine Hintertür. Und zwei Erdgeschossfenster. Falls der Bewacher sofort loslief, wenn er die Schüsse hörte, konnte Ashberry ihn von einem der Fenster aus erwischen. Jedenfalls würde genug Zeit bleiben, die Kappe als Beweisstück zu platzieren und den Wagen zu erreichen, bevor Verstärkung eintraf.
Er ging zu einem öffentlichen Fernsprecher und rief in der Vermittlung an.
»Columbia University«, meldete sich eine Frau.
»Professor Mathers, bitte.«
»Einen Moment.«
»Hallo?«, sagte eine Stimme mit schwarzem Einschlag.
»Professor Mathers?«
»Der bin ich.«
Ashberry gab sich erneut als Steve Macy aus und erklärte, er sei ein Autor aus Philadelphia, der in der Lehman Library recherchiere der Bibliothek der Fachbereiche Soziologie und Journalismus. (Die Sanford-Stiftung hatte für derartige Bibliotheken viel Geld gespendet. Ashberry war dort Gast mehrerer Wohltätigkeitsveranstaltungen gewesen; falls
Weitere Kostenlose Bücher