Das Teufelsweib
Manon her. Unten an der Haustür holte er sie ein und drückte sie gegen den Spiegel der Garderobe.
»Manon«, stammelte er. Seine Augen waren fiebrig, die Hände, die sie gegen den Spiegel preßte, zitterten, »nenn' mich irrsinnig, nenn' mich einen Verrückten, bleib' bei mir! Verlaß mich nicht! Ja, ich wollte dich töten, als ich dich bei Pierre sah, und ich werde ihn fortschicken, weit weg, so daß er nie mehr unsere Wege kreuzt. Er wird eine Abfindung bekommen, damit er verschwindet. Ich will vergessen, alles vergessen, was du mir heut gesagt hast, was ich dir sagte … Es war doch alles nur Zorn, Enttäuschung, Bitterkeit … Ich liebe dich, Manon, ich kann nicht sein ohne dich. Ich würde einsam werden, ich würde verzweifeln, wenn ich dich verlöre. Begreifst du das denn nicht? Deine Liebe war für mich der Sinn meines Lebens! Manon, du darfst nicht von mir gehen!«
Er bettelte, er küßte ihre Schultern, suchte ihren Mund, den sie ihm verweigerte, und krallte seine Finger in ihre Arme, bis sie aufschrie:
»Laß das! Ich fahre nach Monte Carlo.« In ihren Augen erschien plötzlich ein Glitzern, das er kannte. »Du kannst meinetwegen nachkommen, wenn du mich so liebst. Aber das verlangt vorher, daß du kein Feigling bist, wie alle Männer. Befreie mich von meinem Mann! Sage ihm, daß du mich liebst, daß er auf mich verzichten soll! Hole mich weg von der Seite dieses Scheusals, ja, schieße ihn nieder, wenn ich dir das wert bin!«
In ihr Gesicht trat ein lauernder Zug. Sie wartete auf seine Antwort.
»Ich soll Dubois umbringen?« fragte er entsetzt.
»Befreien sollst du mich! Es gibt keinen anderen Weg, mich zu besitzen – er oder du!«
»Ich kann keinen Menschen töten!«
»Man hat aus Liebe schon anderes getan!«
Manon machte sich von ihm los und trat in die Nacht hinaus. Auf den Stufen der Außentreppe sah sie sich noch einmal um. Santerres stand in der Tür, mit hängenden Armen, blassem Gesicht, den Blick zur Erde gesenkt.
»Morgen früh, mit dem ersten Zug, fahren wir nach Monte«, sagte sie abschließend. »Dubois wird diese Nacht noch lange in der Bibliothek sitzen. Vom Garten führt eine Tür in den Raum, und diese Tür ist unverschlossen, solange Dubois im Zimmer weilt. Ein guter und geschickter Mann kann unbemerkt kommen und gehen. Ich bin im Nebenzimmer und lasse das Radio laut spielen. So hört man keinen Schuß …«
Sie wandte sich ab, eilte guter Dinge die Treppe hinunter und war nach wenigen Schritten im Dunkel der Nacht verschwunden. Noch lange stand Santerres in der Tür und starrte dem Weib wie vor den Kopf geschlagen nach.
Ich soll Dubois töten? wiederholte er sich fassungslos.
Ich soll meinen armen, verkrüppelten Freund umbringen, weil seine Frau ihn haßt?
Ich soll einen Mann ermorden, weil er das schwere Schicksal trägt, häßlicher als alle anderen Menschen zu sein?
Einen bedauernswerten, alten unschuldigen Krüppel soll ich einfach niederknallen wie einen tollen Hund?
Er fühlte, wie bitterer Ekel in ihm emporstieg und seinen ganzen Körper ausfüllte. Sich schüttelnd lehnte er sich gegen die Tür und strich sich über die Stirn. Als er an sich niederblickte, schien es ihm, als sehe er einen Fremden.
Mein Gott, wie nahe war ich dem Untergang gewesen … Wie weit wollte ich mich fast vergessen …
Eine Frau, eine Teufelin mit dem Antlitz eines Engels wollte mich zum Mord treiben …
Abgrundtiefer Haß trat in seine Augen.
»Pierre!« brüllte er durch das stille Haus. »Pierre!« Santerres schlug die Haustür zu und rannte durch die Diele. »Die Koffer packen! Die großen! Ich verreise! Morgen früh, mit dem ersten Zug! – Ich fahre nach Monte Carlo …«
Um die gleiche Zeit saß Dubois in seinem dunklen Haus an der Seine in seinem Arbeitszimmer und regelte die letzten Schriftsachen vor der Abfahrt. Marco, der Pockennarbige, stand hinter ihm und wiederholte noch einmal alle Anweisungen, die er von seinem Herrn bekommen hatte.
In der Hand hielt er einen Zettel, von dem er die einzelnen Punkte ablas. Plötzlich stutzte er und blickte seinen Herrn erstaunt an.
»Hier steht, Monsieur: Morgen früh einen Strauß gelber Marschall-Niel-Rosen! Für wen, Monsieur?«
»Dummkopf!« Dubois blickte von seinen Papieren auf. Seine lange Nase warf einen breiten Schatten auf den Mund. »Für die gnädige Frau selbstverständlich. Sie soll mit Blumen im Arm im Blumenparadies der Côte d'Azur ankommen. Sie liebt doch Blumen so sehr.«
»Wie Monsieur befehlen.« Marco
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