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Das tibetische Orakel

Titel: Das tibetische Orakel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eliot Pattison
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verschwenden.«
    »Ich habe keine Angst vor einem Mann, der mit seinem Yak spricht«, verkündete Lokesh hinter ihnen und ging einfach weiter den Pfad entlang.
    Nach einer Viertelstunde konnten sie erkennen, daß die Ladung des Wagens aus Dung bestand, und kurz darauf blieb der Yak stehen und wandte seinen massigen Kopf in ihre Richtung.
    »Es ist wohl ein ziemlich weiter Weg, bis man all diesen Brennstoff loswerden kann«, stellte Shan fest, als er Gyalo erreichte.
    »Niemand hat mir gesagt, wie weit ich ihn wegbringen soll«, erwiderte der Mönch.
    Shan stellte die anderen vor, und Lokesh bot dem Mönch etwas von ihrem Proviant an. Gyalo aß zwei momo -Klöße und gab dann dem Yak einen Apfel zu fressen.
    »Wohin willst du?« fragte Shan.
    Der Mönch wies gen Himmel. »Es ist ein schöner Tag im Gebirge«, sagte er und fing an, den Yak zwischen den Ohren zu kraulen. »Jampa hier wird mich schon wissen lassen, wenn wir am Ziel sind.«
    Jampa. Einer der Namen des Zukünftigen Buddhas.
    Shan nahm den Mann einen Moment lang in Augenschein, während dieser einen großen Schluck aus Lokeshs Wasserflasche trank und dann um den Wagen herumging. Die alte Holzschaufel, die Shan benutzt hatte, lag oben auf der Ladung. Er drehte die Schaufel um und sah, daß das hölzerne Blatt eine Öffnung in dem Haufen bedeckte.
    »Wir werden nicht verfolgt«, sagte Shan leise.
    »Wie bitte?« rief Gyalo und hielt sich eine gewölbte Hand hinter das Ohr.
    »Ich hab bloß mit unserem Freund geredet«, sagte Shan, und aus dem Berg getrockneten Dungs kam eine Hand zum Vorschein. Nyma keuchte erschrocken auf. Shan nahm die Hand und half der Gestalt auf die Beine.
    »Tenzin!« rief Lhandro, als der hochgewachsene Mann sich aufrichtete.
    »Wo hast du.«, setzte Nyma an und lief dann los, um den stummen Tibeter in die Arme zu schließen. »Woher konntest du das wissen? Warum haben die.«
    Tenzin sah hilfesuchend zu Shan, aber dann grinste die Nonne und mußte über sich selbst lachen, weil sie einen Mann, der nicht sprechen konnte, um Erklärungen bat. Sie fing an, ihm mit dem Ärmel ihres Mantels den Schmutz aus dem Gesicht zu wischen.
    »Ich habe neben Jampa unter freiem Himmel geschlafen«, erklärte Gyalo. »Ich dachte, falls ich mitten in der Nacht aufwache, würde ich einfach losziehen. Die Dunkelheit macht uns nichts aus. Wir reden dann über die Sterne. Letzte Nacht, so gegen zwei oder drei Uhr, hat Jampa mir seine Nase ins Ohr gesteckt. Zuerst habe ich ihn wieder weggeschoben, aber er wollte nicht lockerlassen, also habe ich mich aufgerichtet. Ich war ganz erschrocken, denn neben dem Karren stand auf einmal dieser Geist. Jampa und ich wußten, daß er Hilfe brauchte, obwohl er kein Wort gesagt hat. Wir haben ihn - Tenzin, sagst du?« fragte er mit Seitenblick auf Nyma. »Wir haben Tenzin auf dem Wagen versteckt und uns davongeschlichen. Nirgendwo hat sich was gerührt. Als wir eine Stunde später den ersten Hügelkamm erreichten, kam einer dieser Soldatentransporter aus Richtung der Schnellstraße an uns vorbei.«
    Er sah Shan fragend an.
    Shan musterte ein weiteres Mal Tenzin, seufzte und schaute in Richtung der nördlichen Berge. »Wir werden nun weitergehen, dort entlang«, sagte er zu dem Mönch. »Danke, daß du unserem Freund geholfen hast.«
    Er warf einen Blick auf den Wagen. »Am Ende der Hochebene liegt die alte Ruine eines gompa. Dort lebt mittlerweile eine Familie. Die Leute haben sehr viel zu tun und wenig Zeit, um nach Brennstoff zu suchen. Dieser Vorrat würde viele Wochen reichen.«
    »Rapjung«, sagte Gyalo nickend. »Ich kenne es. Das alte Erste Haus.«
    Er sah zurück nach Süden, als wolle er sich vergewissern, daß niemand lauschte. »Norbu war früher nicht nur eine Durchgangsstation, sondern auch ein Krankenhaus. Die Leute kamen von weit her, um die Heiler zu konsultieren, die aus den Hochebenen und Bergen hinabstiegen. Doch nach der Zerstörung von Rapjung wurde das Krankenhaus niedergerissen und statt dessen die neuen Gebäude errichtet«, sagte er bekümmert. Shan erinnerte sich an die alten Fundamente, die ihm neben der lhakang aufgefallen waren.
    »Wovor versucht ihr zu fliehen?« fragte der Mönch und sah sie nacheinander an. Er klang wie ein alter Lama.
    »Das wissen wir nicht«, antwortete Nyma im Flüsterton.
    »Es gibt dort oben Vögel, die noch nie die Welt hier unten gesehen haben«, merkte Lokesh zögernd an und deutete auf die hohen Gipfel. Auf seinem Gesicht lag dieses schiefe Lächeln, aber seine

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