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Das tibetische Orakel

Titel: Das tibetische Orakel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eliot Pattison
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längst nicht mehr hier auftauchen. Es hat nichts zu bedeuten.«
    »Soll das heißen, jemand hat Ihnen aufgetragen, die Anforderung zu löschen?«
    Der flehentliche Blick des Mannes richtete sich nun auf Winslow. »Eine gute Frau«, sagte er in gebrochenem Englisch. »Row, Row, Row Your Boat« , fügte er mit gekünsteltem Lächeln hinzu. »Die Baltimore Orioles.«
    »War es die Abteilung für Sonderprojekte?« fragte Shan.
    Das Gesicht des Chinesen verfinsterte sich. »Er hat gesagt, ich solle ihre Listen von den Monitoren verschwinden lassen. Diesen einen Auftrag muß ich wohl vergessen haben.«
    »Direktor Zhu hat Sie angewiesen, die Nachschubanforderung zu stornieren?« fragte Shan.
    Der Mann mit dem blauen Hemd zog unwillkürlich die Schultern zusammen. »Nein, nicht stornieren«, flüsterte er mit gesenktem Kopf. »Sie sollte einfach nur unsichtbar werden.«
    Er wandte sich zum Eingang des Lagerhauses, als wolle er den Monitor schützen. Oder hinter sich verstecken.
    »Sie sagen also, Zhu hat herausgefunden, daß dieser Nachschubauftrag weiterhin im System steckt, und ihn trotzdem nicht widerrufen«, stellte Shan ruhig fest und warf dabei Winslow einen kurzen Blick zu. »Will er das Material denn selbst verwenden?«
    Die Stimme des Mannes war heiser geworden. »Es geht ihm wie uns allen, schätze ich. Er hofft wohl, daß Miss Larkin noch am Leben ist.«
    Nein, ganz im Gegenteil, erkannte Shan, als er mit Winslow eilig das Gebäude verließ. Zhu wollte sicherstellen, daß sie nicht wieder auftauchte.
    »Wie kommen Sie.«, setzte Winslow an, nachdem Shan seinen Verdacht laut geäußert hatte.
    »Die Farbmarkierungen«, erklärte er. »Am Tag bevor wir auf Zhu getroffen sind, haben wir in den Bergen eine der Farbmarkierungen gesehen. Er aber hat behauptet, Larkin sei schon eine Woche zuvor ums Leben gekommen, und auch entsprechende Berichte verfaßt. Doch das war gelogen. Noch einen Tag zuvor war sie ganz in unserer Nähe. Niemand sonst hat diese Markierungen benutzt. Zhu hat Larkin als tot gemeldet, damit ihm niemand in die Quere kommen würde.«
    »Wobei sollte ihm jemand in die Quere kommen?«
    »Das weiß ich nicht. Ich glaube, Zhu wird die Lieferung dieser Vorräte selbst übernehmen. Er hat den Tod der Frau gemeldet. Was ist, wenn er gelogen hat und nur dafür sorgen wollte, daß keiner mehr nach ihr sucht, damit er selbst sie finden kann? Zhu und vielleicht auch die Öffentliche Sicherheit halten Larkin für gefährlich. Mittlerweile haben alle die Lüge über ihren Tod geschluckt. Was ist, wenn er sie nun tatsächlich umbringen oder irgendwohin zum Verhör schleppen will? Sie ist jetzt ein Gespenst. Zhu könnte alles mögliche mit ihr anstellen, und niemand würde es je erfahren.«
    Winslow starrte ihn an. »Unmöglich«, sagte er, aber in seinen Augen sah Shan keinerlei Zweifel, sondern statt dessen kalte Wut und einen Anflug von Hilflosigkeit.
    Sie gingen am Rand des großen Schotterplatzes entlang, blieben vor manch einem geparkten Fahrzeug stehen und betrachteten ihre Spiegelbilder in der Scheibe. »Wir können Somo nicht im Stich lassen«, sagte Shan.
    Ein Stück von ihnen entfernt stand neben einem Lastwagen der Mann aus dem Speisesaal und sprach leise in sein Funkgerät. Er trug noch immer die braune Jacke und dazu inzwischen eine Sonnenbrille. Auf der anderen Seite des Geländes sah Shan zwei weitere Männer in Braun, die ihren Funkgeräten zu lauschen schienen und sich dann eilig zu ihrem Kollegen auf den Weg machten. Ein Jeep schloß zu ihnen auf. Auf dem Beifahrersitz saß Zhu, ebenfalls mit Sonnenbrille, und klopfte mit einem Schlagstock auf seine Handfläche.
    »Somo hat Leute, die sich um sie kümmern«, sagte Winslow. »Purbas.«
    »Sie ist mit uns hergekommen«, sagte Shan. »Wir werden beobachtet. Ihre Freunde werden sie letztlich abholen. Nach Tenzins Verhaftung kann sie hier nichts mehr tun.«
    Doch Shan irrte sich. Fünf Minuten später fuhr ein großer Müllwagen gemächlich über den Platz und wirbelte eine dichte Staubwolke auf. Er steuerte auf Shan und Winslow zu und wurde langsamer. Jemand stand auf dem breiten Trittbrett.
    »O Mann, das ist Somo«, sagte Winslow.
    Somo winkte sie zu sich heran, und sie liefen los und sprangen auf. Shan hielt sich am Seitenspiegel fest, während Winslow neben der purba den Haltegriff umklammerte, mit dessen Hilfe man in das hohe Führerhaus einstieg.
    Kurz darauf kamen sie an dem Abstellplatz für schwere Fahrzeuge vorbei, den sie schon in der

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