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Das tibetische Orakel

Titel: Das tibetische Orakel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eliot Pattison
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ihm, daß ich Baseball kenne. Einmal pro Woche wird hier abends eine Videokassette mit Baseballspielen gezeigt«, drängte der Verwalter. »Die Baltimore Orioles«, fügte er hoffnungsvoll hinzu.
    Shan nickte lediglich. »Aber eines dieser Teams hat einen Teil der Ausrüstung zurückgelassen.«
    »Welche Nummer?«
    Shan wies auf Winslow. »Na, was glauben Sie wohl? Das Team, das von der Amerikanerin geleitet wurde.«
    »Ach«, sagte der Chinese zögernd. »Melissa.«
    Sein Gesicht umwölkte sich.
    »Sie haben Miss Larkin gekannt?«
    »Natürlich. Ich meine, ich.«
    Der Mann sah sie forschend an, als versuche er festzustellen, wie gefährlich es für ihn werden könnte. »Wenn sie zu Besuch kommt, bringt sie uns immer etwas mit. Manchmal Fossilien. Oder hübschen rosafarbenen Quarz. Einmal auch amerikanische süße Kekse. Sie ist.«
    Er sah noch einmal die beiden Besucher an und schaute dann zum Monitor. »Man vergißt sie nicht so leicht.«
    Als er Shans fragenden Blick spürte, seufzte er. »Einmal, als sie hier war, gab es einen heftigen Sturm, und der Strom fiel aus. Niemand konnte arbeiten. Die meisten Leute sind in die Zentrale gegangen und haben den ganzen Tag lang getrunken. Aber Miss Larkin hat hier in einem großen Metalleimer ein Feuer gemacht. Dann haben wir alle im Kreis gesessen und Geschichten erzählt. Und sie hat uns amerikanische Lieder beigebracht. Row, Row, Row Your Boat« , sagte er auf englisch und hatte Schwierigkeiten mit den R. »Jingle Bells. Oh Susannah.«
    »Aber bei ihrem letzten Besuch wollte sie etwas Besonderes, nicht wahr?« fragte Shan. »Sie hat in Yapchi Proviant zurückgelassen, weil sie etwas anderes tragen mußte.«
    Der Mann drückte ein paar Tasten und ließ sich auf einen nahen Hocker sinken. Auf dem Bildschirm wurden die Zusatzlieferungen des Lagers Yapchi angezeigt. »Sie sagte, sie habe keine Zeit für den ganzen Papierkram.«
    Er blickte über die Schulter. Auf einmal schien er sich nicht mehr vor Shan und Winslow zu hüten, sondern vor den Schatten hinter ihnen. »Sie sagte, man würde die Dinger nicht vermissen und höchstens in ein paar Monaten mal danach fragen. Bis dahin sollte ich sie längst nachbestellt haben. Ich sagte, sie solle bloß sechs nehmen, aber sie hat auf allen zwölf bestanden.«
    »Zwölf wovon?«
    »Es ergab keinen Sinn. Ich kann es mir bis heute nicht erklären.«
    Der Chinese sah Shan flehentlich an. »Nächsten Monat bekomme ich neue herein.«
    »Zwölf wovon?« wiederholte Shan.
    »Farbmarkierungen«, flüsterte der Mann. »Man untersucht damit Strömungsverhältnisse oder den Verlauf einer Wasserader. In den Gebieten, die wir normalerweise untersuchen, ist es knochentrocken. Die Beutel waren völlig verstaubt. Ich habe gemeldet, die Haltbarkeitsdaten seien abgelaufen«, sagte er, als müsse er Shan, nachdem er einmal damit angefangen hatte, nun auch den ganzen Rest anvertrauen. »Ich hab es nicht kontrolliert, aber vermutlich waren die Dinger tatsächlich nicht mehr zu gebrauchen.«
    »Sie haben nur Ihre Arbeit getan. Immerhin war die Frau die Leiterin des Teams«, sagte Shan und sah auf den Monitor. Im unteren Teil blinkte eine Zeile - der letzte Eintrag unter Larkins Namen. »Auffüllen«, stand dort, gefolgt vom Datum des morgigen Tages. Shan deutete darauf.
    »Nachschub«, sagte der Mann zögernd.
    Shan beugte sich vor und klickte die Zeile mit der Maus an. Eine neue Liste tauchte auf, versehen mit dem gleichen Datum und einigen Kartenkoordinaten. Butangaspatronen. Decken. Hundertfünfzig Meter Seil und seismische Sprengladungen. Vier Kisten mit Sprengladungen. Während Shan die Punkte las, kroch ihm ein Schauder über den Rücken. »Diese Sachen waren von Larkins Team angefordert«, sagte er langsam. »Warum stehen sie noch im System?«
    Der Chinese erbleichte und starrte auf den Bildschirm. »Ich gebe diese Anforderungen nicht selbst ein, sondern stelle nach Maßgabe des Computers nur das Material zusammen. Vielleicht ist dieses Team noch immer an der Arbeit. Es heißt, ihre Leiche sei nicht gefunden worden.«
    Plötzlich, als würde Shans großes Interesse ihm auf einmal verdächtig vorkommen, stellte er sich vor den Monitor.
    »Miss Larkin hat Sie bei ihrem letzten Besuch gebeten, den Nachschubauftrag im System zu belassen«, behauptete Shan. Der Mann hatte anfangs nicht in der Vergangenheitsform von Larkin gesprochen, obwohl er andererseits von ihrem Tod wußte.
    »Nein, es ist ein Fehler«, stöhnte er. »Die Anforderung dürfte

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