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Das tibetische Orakel

Titel: Das tibetische Orakel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eliot Pattison
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es auch in unseren Reihen Helden gibt. Daher möchte er die Namen und Adressen der fünf Leute haben, damit sie angemessen gewürdigt werden können.«
    »Wie bitte?«
    »Der Direktor trifft sich mit den Abgesandten aus Lhasa und hat beschlossen, daß an einem Tag wie heute alle Volkshelden geehrt werden müssen. Diejenigen, die im verborgenen arbeiten, werden allzuoft übersehen.«
    »Aber Sie müssen doch selbst wissen.«
    »Alle anderen sind bei den Feierlichkeiten«, erinnerte er sie. »Falls Sie sich Sorgen wegen der Sicherheitsbestimmungen machen, gebe ich Ihnen die Kennummern zum Vergleich.«
    Er zog den Zettel aus der Tasche, den Somo ihm gegeben hatte, und las die Nummern der fünf fraglichen Einträge vor.
    »Also gut«, seufzte die Frau. »Ich faxe Ihnen die Liste gleich zu.«
    Draußen erklang Beifall. Shan legte auf, schloß die Schublade und lief zum vorderen Fenster. Khodrak klopfte Tenzin anerkennend auf den Rücken. Shan knöpfte das geliehene Jackett auf, drehte sich zur Tür und erstarrte. Mitten im Eingang stand Direktor Tuan und musterte ihn wutschnaubend.
    »Ich könnte Sie erschießen lassen«, zischte Tuan. »Noch vor Einbruch der Nacht hätten Sie eine Kugel im Kopf. Ich habe mich beim Bildungsministerium nach Ihnen erkundigt. Sie geben sich fälschlich als Regierungsmitarbeiter aus und gefährden die nationale Sicherheit.«
    »Anscheinend vergessen Sie, daß Sie nicht mehr zur öffentlichen Sicherheit gehören«, stellte Shan ausdruckslos fest.
    Der Direktor des Büros für Religiöse Angelegenheiten öffnete den Mund, um etwas zu sagen, und wurde durch noch mehr Applaus von draußen unterbrochen. »Wir haben im Augenblick keine Zeit für solche Spitzfindigkeiten. Was auch immer Sie sein mögen - Flüchtling oder Deserteur -, wir werden es herausfinden. Und später überlegen wir uns dann, was mit jemandem zu tun ist, der sich als Lehrer ausgibt. Welch eine schändliche Tat! Wir werden Sie an geeigneter Stelle eine Weile in Ketten legen, bevor wir beschließen, wie wir uns Ihrer am besten entledigen.«
    Er wandte sich um, als wolle er Hilfe herbeirufen.
    »Ich habe nie behauptet, Lehrer zu sein«, entgegnete Shan. »Sie haben voreilige Schlüsse gezogen. Sie haben außerdem gesagt, ich könne von Nutzen sein. Und Sie haben mir Ihre Karte gegeben.«
    Er konnte nur versuchen, Tuan eine Weile zu beschäftigen, um Somo und den anderen mehr Zeit zu verschaffen.
    Tuans Antwort ging in einem plötzlichen Hustenanfall unter. Er wich zur Wand neben der Tür zurück und hielt sich ein Taschentuch vor den Mund. Als der Husten aufhörte, schloß Tuan kurz die Augen, als fühle er sich geschwächt, und als er das Taschentuch sinken ließ, sah Shan blaßrote Flecke darauf. »Was haben Sie hier gemacht?« knurrte der Direktor und kam wieder näher. Er klang noch immer wütend, aber das Funkeln in seinen Augen hatte nachgelassen.
    »Ich habe mir die Feierlichkeiten angeschaut, genau wie alle anderen. Es wäre unhöflich gewesen, mitten in der Rede eines so berühmten Gastes ins Publikum zu platzen.«
    »Sie wußten über ihn Bescheid«, sagte Tuan anklagend. »Sie waren zusammen mit dem Abt unterwegs. Wahrscheinlich hat er sich hinter dem Hügel versteckt, als wir uns neulich zum erstenmal begegnet sind.«
    »Er hat uns nie verraten, daß er der Abt ist.«
    Der Direktor ging an ihm vorbei zum Fenster, starrte zu Tenzin hinunter, der weiterhin auf dem Podium stand, und sah dann wieder Shan an. »Falls er nicht kooperiert hätte, wären wir heute gezwungen gewesen, uns zu überlegen, wer er ab jetzt sein würde. Ein illegaler Reaktionär. Vielleicht der Mörder unseres geliebten Chao«, sagte er frostig. Die Drohung war ziemlich unverhüllt. Tuan wollte die Jagd nach Chaos Mörder abschließen und mit diesem letzten Sieg die Zeremonie der Preisverleihung in Yapchi krönen. Tenzin wäre ein geeigneter Kandidat gewesen. Nun mußte Tuan sich jemand anderen suchen.
    »Aber das ist doch eigentlich ein Problem der öffentlichen Sicherheit.«
    Shan riskierte einen Blick zu der offenen Tür. »Ihnen muß doch mehr am Gewinn der Klarheitskampagne gelegen sein.«
    Tuan folgte seinem Blick. Er seufzte, ging langsam zur Tür und schloß sie. Einen Moment lang wirkte er wie ein müder alter Mann, nicht wütend, sondern verbittert. »Das ist bereits geschehen«, sagte er. »Wir müssen nur noch unsere Belohnung einstreichen.«
    Womöglich war dies das Geheimnis, auf das er sich in erster Linie konzentrieren sollte,

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