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Das tibetische Orakel

Titel: Das tibetische Orakel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eliot Pattison
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Soldaten mit ihren Maschinen gekommen.«
    Die Frau meinte eine der großen Militäranlagen, zu deren Errichtung die chinesische Volksbefreiungsarmee vorwiegend Gulag-Sträflinge verpflichtete, die ganze Berge mit gewaltigen Tunnelnetzen durchziehen mußten. Die meisten dieser Einrichtungen lagen entlang der Südgrenze; einige dienten kompletten Divisionen als Truppenunterkünfte, andere wurden als Materiallager genutzt oder beherbergten hochmoderne Horchposten oder Befehlsstände.
    »Die haben diesen Berg mit Computer-Maschinen und Funkgeräten gefüllt, aber sie wußten nicht, daß einer der Gefangenen ein alter Mönch war und ein tonde besaß, das früher der Gottheit des Berges gehört hatte. Er konnte mit dem Gott sprechen und erklären, was geschehen war. Als der Gott es verstand, schlug der Berg zurück«, verkündete die Frau zufrieden.
    Shan sah sie erwartungsvoll an, sie redete jedoch nicht weiter.
    »Es gab einen Einsturz«, sagte Lhandro und bedachte die Frau mit einem peinlich berührten Blick. »In den Zeitungen stand nichts davon, aber es ist überall Gesprächsthema. Die Tunnel sind eingesackt und haben die Maschinen zerstört. Einige Soldaten wurden eingeschlossen und getötet. Auch viele tibetische Arbeiter verloren ihr Leben. Die Armee war zunächst in Alarmbereitschaft und hat die Anwohner der Gegend zum Verhör zusammengetrieben, aber dann kamen Experten aus Peking und sagten, es sei lediglich der falsche Berg für diese Art der Nutzung gewesen. Der Himalaja sei instabil, hieß es, und etwas im Innern habe sich verschoben.«
    »Der falsche Berg«, wiederholte die Frau mit wissendem Nicken.
    Lokesh stieß ein verächtliches Grunzen aus. »Was erwarten sie, wenn sie Soldaten haben, um Berge zu jagen?«
    Shan sah seinen alten Freund an. Lokesh hatte auf seltsame Weise mißverstanden, was mit einer Gebirgsjägerbrigade gemeint war; er hatte den Begriff zu wörtlich genommen. Shan öffnete den Mund, um den Irrtum aufzuklären, aber dann wurde ihm klar, daß Lokesh vielleicht gar nicht so falsch lag. Nach Ansicht vieler verstieß dieses Verhalten Pekings gegen die Natur, denn es höhlte die Berge aus, entwaldete die Hänge und verwüstete die Täler mit offenen Schächten.
    Shan fragte Lhandro und die Frau mit der Schürze nach weiteren Neuigkeiten, vor allem nach auffallend scharfen Maßnahmen der öffentlichen Sicherheit oder der Armee zwischen Lamtso und Lhasa. Beide schüttelten die Köpfe. »Bloß das Übliche«, sagte Lhandro. »Diese Klarheitskampagne. Überall tauchen Schreihälse auf, häufiger als sonst und im gesamten Bezirk. Es geht immer um das gleiche, so wie früher schon, nur diesmal mit anderen Worten.«
    Das sollte heißen, die Kampagne sei eine weitere politische Initiative, um den Einfluß der Buddhisten zu untergraben.
    Die Frau jedoch brachte mitunter Wolle nach Amdo, der nächstgelegenen und einzigen Ansiedlung der Region, und las dort die Zeitungen. Ein berühmter Abt floh derzeit nach Süden in Richtung Indien, mit der öffentlichen Sicherheit und den Schreihälsen dicht auf seinen Fersen. Ferner war eine Großfahndung nach zwei Terroristen im Gang, einer ein Infiltrant des Dalai-Kults von jenseits der Grenze, der andere ein berüchtigter Widerstandsführer, genannt Tiger, ein General der purbas , den man in der Gegend gesichtet hatte. Die Truppen drohten, wer ihm helfe, würde im Gefängnis landen, erklärte die Frau, um im nächsten Atemzug ein schnelles Gebet für den Mann zu sprechen. In Lhasa bereitete man unterdessen die größte Maiparade seit vielen Jahren vor und schaffte zu diesem Zweck Helden der Armee und der Arbeit in die Stadt. Shan hörte aufmerksam zu, denn die Frau schien vor Neuigkeiten und Gerüchten regelrecht überzusprudeln, doch sie erwähnte weder ein gestohlenes Steinauge noch die Ermordung eines oder mehrerer purbas.
    »Weiß jemand etwas über den Mord an einem Beamten des Büros für Religiöse Angelegenheiten?« fragte Shan und brachte damit alle in Hörweite zum Verstummen. Besorgte Gesichter wandten sich ihm zu. »Er hieß Chao und stammte aus Anido.«
    Nyma kam aus Lhandros Zelt nach draußen. »Ich wußte von Chao«, sagte sie mit ängstlicher Miene. »Die Schreihälse aus Amdo kommen manchmal über unseren Berg ins Tal von Yapchi. Er war der einzige, der bei seinen Hausbesuchen keine privaten Altäre inspizieren wollte, und er hat nie jemandem befohlen, sein gau zu öffnen. Er war Tibeter, hatte aber einen chinesischen Namen angenommen.«
    Die

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