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Das Tibetprojekt

Titel: Das Tibetprojekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Kahn
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klassische Kung-Fu-Stellung eingenommen. Aber das störte den Angreifer nicht. Er war sich
     seiner Überlegenheit |362| sicher und schien den bevorstehenden Sieg genießen zu wollen. Er lachte Li Mai hämisch an und überlegte, wo er zustoßen sollte.
     Hals oder Brust?
    Decker stockte der Atem.
    Dadul hob den Dolch.
    Aber in der Sekunde, als der Mönch ausholte und Decker die Augen schloss, stieß Li Mai einen Kampfschrei aus und griff ihren
     Gegner an.
    Verblüfft machte Decker die Augen wieder auf.
     
    Es ging alles so schnell, dass er in dem Halbdunkel nur die Hälfte erfassen konnte. Mit blitzartiger Geschwindigkeit, wehenden
     Haaren und animalisch anmutenden Bewegungen umkreiste Li Mai den Tibeter.
    Daduls Handgelenk war gebrochen. Der Dolch fiel aus seinen zitternden Fingern, und noch während er über den Boden rollte,
     wurde der Mönch von so vielen blitzschnellen Schlägen und Tritten getroffen, dass er nur noch als gelähmte Hülle dastand und
     torkelte. Er hatte nicht einmal Zeit gehabt zu kontern. Li Mai nahm Abstand, ging tief in die Knie und wartete. Sprungbereit
     wie ein Raubtier.
    Dadul röchelte, konnte aber nicht mehr atmen und sackte ohnmächtig in sich zusammen. Halbtot lag er auf den Steinplatten und
     konnte sich nicht mehr rühren.
    Decker starrte fassungslos auf Li Mai. Anmutig stand sie auf, verbeugte sich in strenger Etikette vor dem geschlagenen Gegner
     und zischte verächtlich: »Schöne Grüße aus Schaoling – du Bastard.«
    Dann kam sie zu Decker zurück. »Alles in Ordnung?«
    »Mir geht es wieder besser. Danke. Wo hast du denn das gelernt? So etwas habe ich noch nie gesehen.«
    »Im ältesten Kampfkloster der Welt. China hatte schon hoch entwickelte Kriegskünste, als diese Barbaren noch |363| in Fellhütten hausten und sich mit ihren Stöcken erschlugen. Ich wollte ihn gleich töten, aber ich dachte, er kann uns vielleicht
     noch etwas über seinen Auftrag verraten. Er wird bald wieder vernehmungsfähig sein. Aber seine inneren Organe sind so schwer
     verletzt, dass er in den nächsten dreißig Minuten auch sterben könnte.«
    Decker sah den Mönch an und war sich da nicht so sicher. Aber immerhin hatte sie den ersten der beiden ominösen Killer ausgeschaltet.
     
    Dann hörten sie plötzlich Geräusche irgendwo in den entfernten Gängen.
    »Eine Menge Besucher hier heute Nacht«, sagte Li Mai. »Wollen wir sehen, wer es ist?«, fragte Decker.
    »Hoffen wir lieber, dass der oder die uns nicht schon bemerkt haben und jagen. Los, weg hier!« Sie rannten davon.
    »Was ist mit dem Mönch?« Decker drehte sich noch mal zu Dadul um.
    »Vergiss ihn. Wir können ihn jetzt nicht verhören und auch nicht mitnehmen. Wir müssen vor den anderen am Ziel sein. Sieht
     so aus, als wären wir noch nicht zu spät dran. Vielleicht sind unsere ungebetenen Gäste hier im Haus bereits aufeinandergestoßen
     und mit sich beschäftigt. Das gibt uns einen Vorsprung.«
    Sie drangen weiter und weiter in die schwarzen, unbekannten Tiefen des Potala vor. Treppe um Treppe gelangten sie hinab, und
     es war, als würden sie auch in der Zeit rückwärts schreiten. Sie waren jetzt bereits tief im Inneren des Berges und unterhalb
     der äußeren Palastgebäude. Hier gab es keine Fenster und kein Mondlicht mehr. Es roch nach Stein, Erde, Eisen und Rauch. Eine
     Friedhofskälte kroch ihnen in die Glieder.
    |364| Decker hatte schreckliche Angst.
    Eine seltsame Ahnung beschlich ihn.
    Er spürte die Nähe des Todes.
     
    Dann öffneten sie eine schwere Tür. Sie standen in den Grabkammern der Dalai Lamas. Decker ließ den Lichtkegel seiner Lampe
     durch den großen Raum und über die meterhohen Statuen aus Gold wandern. Eine finstere Stimmung ergriff ihn, als er die gewaltigen
     Sarkophage betrachtete. Die Aura von Ewigkeit und Vergänglichkeit schwebte wie ein zeitloser Nebel in diesem Raum. Wiedergeburt
     und körperlicher Verfall. Wahnsinn und System. Die riesigen Monumente der Macht und der Herrschaft blickten mit halb geöffneten
     Augen auf sie herab.
    Und auf die zwei Leichen vor ihrem Sockel.
     
    »Die beiden anderen Jungs vom Mossad«, sagte Li Mai. Sie zeigte auf die Abzeichen an den zerfetzten Körpern. »Sie hatten nicht
     mal die
dead man’s second

    »Was meinst du damit?«, fragte Decker.
    Li Mai flüsterte ihm schnell zu: »Wenn normale militärische Geschosse einen Soldaten treffen, durchbohren sie ihn sauber,
     aber er ist nicht gleich tot und er fällt auch nicht sofort um. Er kann in der

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