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Das Tibetprojekt

Titel: Das Tibetprojekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Kahn
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musste seinen Auftrag erfüllen.
     Bis zum letzten Atemzug kämpfen.
     
    Schließlich fanden Li Mai und Decker sich in den gruseligen unterirdischen Verliesen wieder, die sie schon kannten. Ihre Karte
     hatten sie verloren. »Das müssen die alten Kerker sein. Wir haben uns verlaufen. Such du dort, und ich suche hier nach dem
     Ausgang.«
    Sie trennten sich. »Sei vorsichtig, der Killer könnte |368| hier überall lauern«, flüsterte Li Mai und öffnete eine der beschlagenen Türen mit Gitterfenster. Vielleicht würde sie dort
     einen Weg finden? Sie ging hinein.
     
    Der Mönch erschien aus dem Nichts, schlug die alte Eisentür zu und verriegelte sie. Li Mai konnte es nicht glauben, dass diese
     Bestie noch aufrecht lief. Sie trat mit all ihrer Kraft gegen die rostige Tür, aber sie wackelte nicht mal.
    Aussichtslos. Sie saß in der Falle.
    Und Decker war alleine da draußen. Mit dem Killermönch.
Oh, wenn ich dieses Mistschwein doch nur gleich getötet hätte,
dachte sie. Die Tür hatte ein kleines Fenster, durch das sie die Szene davor beobachten konnte.
     
    Dadul stand vor Decker und hielt ihn mit dem Dolch in Schach. Diesmal hatte Decker Zeit, den Mönch zu betrachten. Er sah entsetzt
     auf die drei rasiermesserscharfen Klingen, die im Schein der Taschenlampe aufblitzten.
    Und auf den Griff.
    Das Blut gefror ihm bei diesem Anblick. In den Augen seines Feindes stand kein Wahnsinn, sondern kalte Berechnung und Fanatismus.
     Eine Monstrosität, die von den Toten auferstanden war, um dahin zurückzukehren. Mit Decker.
    In dem nepalesischen Kloster hatten er und Li Mai ihre Beschützer dabeigehabt. Hier nicht. Und der Mönch dort war wohl eher
     ein bedeutungsloser, drogensüchtiger Schamane gewesen, der sich hauptsächlich für Sex interessierte. Aber dieser Mönch hier
     war aus einem anderen Holz geschnitzt. Er gehörte zur Elite und war für gefährliche Aufgaben ausgebildet. Zum Töten. Und dann
     sah Decker das Zeichen! Das Hakenkreuz.
    |369| Jetzt verstand er: Dieser Mönch im Gewand des tibetischen Buddhismus war ein Bön-Priester, der die alten Dämonen anbetete.
     Ein lebendes Relikt der alten blutigen Kriegerreligion stand leibhaftig vor ihm. Und würde ihn gleich nach alter Tradition
     umbringen.
    Dann lebten sie also tatsächlich noch, die alten Götter. Und ihre Anhänger beschützten ihre letzten übriggebliebenen Tempel.
     Entkommen war aussichtslos, denn der Mönch versperrte den einzig möglichen Fluchtweg. Für einen Moment fragte sich Decker,
     ob er jetzt und hier sterben würde. Ein museumsreifer Tod. Wirklich nicht zeitgemäß, aber dafür mit einem gewaltigen historischen
     Hintergrund. In jedem Fall jedoch zu früh.
     
    Dadul sammelte all seine Kräfte. Das Blut lief ihm aus Ohren, Mund und Augen. Langsam hob er die Ritualwaffe und stählte sich
     für den tödlichen Hieb. Decker konnte ihn flüstern hören.
    Er murmelte ein Mantra. Er rief seine Götter herbei.
     
    Der Mönch war offensichtlich sehr schwer verletzt, Li Mai hatte ihn fürchterlich zugerichtet. Decker überlegte, ob er ihn
     angreifen konnte, ob er eine Chance gegen ihn hätte. Er suchte den Raum nach irgendwelchen Geräten zur Verteidigung ab. Aber
     es gab nichts außer glatten Mauern. Keine Ketten, keine Waffen. Kein Entkommen.
    Auch Li Mai hielt in ihrem Gefängnis den Atem an. Ohnmächtig vor Wut.
    Decker blickte in die fanatischen Augen eines Menschen, der aus tiefer Überzeugung tötet. Aber Decker wollte nicht sterben.
     Zumindest nicht kampflos. Er entschloss sich mit dem Mut der Verzweiflung zum Angriff und machte sich bereit zum Sprung.
    |370| In diesem Augenblick erklang ein metallisches Pfeifen.
    Der Mönch blieb regungslos stehen.
    Decker verharrte ebenfalls. Es waren nur Sekunden, aber sie schienen wie eine Ewigkeit.
    Dann neigte sich der Mönch auf Decker zu, und der Dolch senkte sich langsam in seine Richtung. Sehr langsam. Und irgendwie
     nicht zielgenau.
    Zu langsam für einen tödlichen Stoß.
    Seltsam, was macht er?
    In diesen Millisekunden vor seinem möglichen Tod schien die Welt in Zeitlupe abzulaufen. Deckers Selbsterhaltungstrieb setzte
     ein. Instinktiv wich er aus.
     
    Zu seiner Verwunderung blieb der Dolch auf seiner vorgegebenen Bahn. Aber nicht nur die Waffe bewegte sich nach unten. Auch
     der Angreifer selbst segelte lautlos an ihm vorbei und knallte mit dem Gesicht voran auf den Boden. Der Dolch klirrte über
     die Steine. Decker blickte zu Li Mai im Fenster und wieder auf den Mönch am

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